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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl
Autoren: Juliet Nicolson
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Luft. Sie suchte Sarah, die sofort bereit war, May zu Gardiner's zu begleiten, um Nat seine längst überfällige Krawatte zu kaufen. Ein großes Fläschchen Milch, bevor sie aufbrachen, sorgte dafür, dass Joshua in seinem Kinderwagen die ganze Wegstrecke über schlief. Während Sarah die Krawatte auswählte, sah May auf einem Tresen nahebei einige hübsche Fotorahmen, die von zarten blauen Blumen gesäumt waren.
    »Das sind Vergissmeinnicht«, erklärte ihr die Verkäuferin. Die Rahmen hatten genau die richtige Größe für das Bild, das schon so lange mit dem Gesicht nach unten hinten in ihrem Tagebuch festgebunden war. Der Zeitpunkt war gekommen, es hervorzuholen und aufzustellen. May kaufte gleich zwei Rahmen. Sie würde an Bertha schreiben und sie bitten, in dem Karton mit den Briefen nach einem Foto von Nishy zu suchen, damit sie Bilder von beiden Eltern in der Nähe haben könnte. Als sie wieder in die Oak Street zurückgekehrt waren, zog sich May auf ihr Zimmer zurück. Im Geist ging sie den Schlamassel durch, in den die ganze Welt, und besonders ihre eigene, geraten zu sein schien. Aus der Schublade neben ihrem Bett nahm sie das blaue Tagebuch und zog das Foto ihrer Mutter unter dem Gummiband heraus. Das Bild passte genau in den Rahmen, und jetzt, wo Edith über sie wachte, füllte May mehrere Seiten ihres Tagebuches mit den verwirrenden Ereignissen der letzten Tage. Und sie fühlte, dass sie erst dadurch wirklich wurden, dass sie sie zu Papier brachte.
     
    Während der langen Stunden, bevor der König seine letzte, einsame Entscheidung traf, hatten May und Valerie Monckton zusammen in der Küche von Fort Belvedere gesessen. Sie entdeckten viele Gemeinsamkeiten und konnten ihrer Begeisterung für
Automotoren freien Lauf lassen. Die Gelegenheit, dieses Interesse mit Gleichgesinnten zu besprechen, bot sich ihnen nur selten. Wie sie so im »Aufenthaltsraum der Dienerschaft« saßen, bekamen sie ungewollt das ganze Ausmaß von Mrs Simpsons Unbeliebtheit bei den Bediensteten des Forts mit. Loyalität war keine Eigenschaft, die man hier vorfand, und ein Hausmädchen mit einer besonders geschwätzigen Zunge plauderte aus, dass Mrs Simpson zu allen Nachtstunden in die leere Küche komme, sich Eier mit Speck brate und eine unglaubliche Schweinerei hinterlasse. Monatelang hatte das Personal im Fort sie dafür verachtet, dass sie auf seltsamen amerikanischen Erfindungen wie Club Sandwiches bestand. Überhaupt grenzten Mrs Simpsons Anforderungen an das Personal an inakzeptable Eigenmächtigkeit. Es kursierte sogar eine Geschichte, der zufolge sie regelmäßig die Spitzen von Bleistiftminen abbrach, nur um den Befehl erteilen zu können, sie schärfer anzuspitzen. Hinweise auf ihren bevorstehenden Aufbruch waren von ganzem Herzen begrüßt worden.
    Als May und Valerie gerade den Benzinverbrauch des Rolls-Royce mit dem des Daimlers von Mr Monckton verglichen, gab Osborne bekannt, dass Miss Nettlefold unverzüglich nach Portsmouth abreisen werde. Am folgenden Tag gehe ein Schiff nach New York, und Miss Nettlefold habe eine Übernachtung in einem Hotel direkt am Hafen gebucht. Als May den Wagen aus der Garage holte und vor dem Eingangsportal des Forts vorfuhr, waren weder Mrs Simpson noch der König zu sehen. Miss Nettlefold stand allein in der Eingangshalle, zu ihren Füßen ihr kleiner Koffer.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, May, möchte ich die Gründe für meine Abreise lieber nicht erklären«, hatte Miss Nettlefold verkündet, sobald sie sich auf dem Rücksitz des Wagens eingerichtet hatte. Ihre Stimme war so schwach, dass May sich stark konzentrieren musste, um sie durch die geöffnete Trennscheibe zu verstehen. »Aber ich sollte Ihnen, einer Frau, die mir
so oft eine Freundin war, erklären, dass ich eine Enttäuschung persönlicher Natur erfahren habe und zu dem Schluss gelangt bin, dass meine Anwesenheit hier nicht länger erwünscht ist. Es wird Zeit, dass ich in mein eigenes Land zurückkehre.« Miss Nettlefold hörte sich an, als fühle sie sich allein durch die Anstrengung zu reden besiegt. »Nichts von alledem wäre geschehen, wenn Joan auf mich hätte achtgeben können«, sagte sie fast unvernehmlich. »Die Mutter, die ich nie hatte.«
    May hörte, wie der Verschluss einer Tasche aufschnappte, gefolgt von dem gedämpften, aber unverkennbaren Geräusch von Tränen. Schließlich sprach Miss Nettlefold weiter; ihre Stimme war noch unverständlicher geworden
    »Ich möchte Ihnen dafür danken, May, dass Sie
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