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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago
Autoren: Gisbert Haefs
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1. KAPITEL
    I n der kalten, feuchten Gewölbekammer wurde der stickige Frühsommerabend zur fernen Erinnerung. Nichts zu hören vom Lärm der Stadt; sogar das Zetern einiger Elefanten, die oben in der Festung auf das Futter warteten, wurde durch die schweren Steinblöcke zu mildem Quäken gedämpft. Nur die Atemzüge und die Bewegungen der Männer.
    Der Sklave, der die Tür aufgesperrt hatte, steckte die Fackel in eine Halterung an der Wand. Er blickte seinen Herren an, den Arzt; als dieser nickte, kniete der Libyer vor der schlichten Kiste nieder. Der luftdicht schließende Deckel, mit zwei Riegeln gesichert, wurde geöffnet. Das Siegel, das die Enden der Schnüre hielt; die beinahe kindisch wirkende Schleife; dann ließ sich das schwere Wachstuch zurückschlagen.
    Bomilkar schloß die Augen. Wenn er nicht hinschaute, roch er Salz. Dicke, träge Salzlake. Als er die Augen wieder öffnete, bildete er sich ein, auch den Kadaver zu riechen. ›Seltsam‹, dachte er; ›die Augen riechen mehr als die Nase.‹ Er streifte den Römer mit einem Seitenblick.
    Titus Laetilius zeigte keine Regung. Der grünliche Schatten um die Nase war vermutlich ein Spiel des unsteten Fackellichts.
    »Da liegt er«, sagte Artemidoros. »Ist er nicht hübsch?« Der Arzt beugte sich vor, um sein Werk zu bewundern.
    Laetilius kniete neben dem Sklaven nieder und starrte in die Öffnung des Wachstuchs. Langsam streckte er den rechten Arm aus, langte in die Brühe und tastete nach dem Haar des Toten. Er zog, bis das Gesicht zu sehen war.
    »Ave Marcus Lavinius«, murmelte er.
    »Zufrieden?«

    Laetilius stand auf, wischte die Hand am Leibrock und wandte sich zum Arzt. »Zufrieden? Das wäre zuviel. Aber es ist Marcus Lavinius. Was hast du mit ihm gemacht?«
    Artemidoros schnipste; der Sklave zog die Schnüre wieder stramm und schlang eine neue Schleife hinein.
    »Was ich mit ihm gemacht habe? Ich habe ihn ausgeweidet, natürlich, und dann haben wir ihn in dicker Salzbrühe gekocht. Die edlen Herren des Rats vertrauen auf das Mißtrauen der Römer. Mit Recht, wie wir nun wissen. Dein Landsmann sollte die Heimreise gut überstehen. Früher oder später wird er faulen, aber ich glaube, du wirst ihn heil nach Rom bringen und dort euren Gepflogenheiten gemäß bestatten können.«
    Laetilius nickte, dann sah er Bomilkar an. »Kann ich jetzt meine Leute…«
    Bomilkar hob die Brauen. »Jetzt? Noch heute abend?«
    »Er muß zum Schiff gebracht werden; es soll mit dem Frühwind auslaufen.«
    »Wie du meinst. Eine kurze Bekanntschaft, und eine lange Reise für dich, für so wenig.«
    Der junge Römer verzog das Gesicht; es wurde ein leicht gequältes Lächeln. »Du irrst. Ich reise nicht sofort zurück.«
    »Ah.«
    »Könnt ihr eure Ahs und Ohs später austauschen?« Artemidoros rümpfte die Nase. »Ich habe auch ein paar Lebende zu versorgen. Und dann ist da noch die Sache mit den Unterschriften.«
    »Was für Unterschriften?« sagte der Römer.
    »Anweisung des Rats. Dreifach zu bestätigen, daß die Ware in einem befriedigenden Zustand übergeben wurde. Einmal für die Hüter der Schriften im Ratsgebäude, einmal für dich, einmal für mich.«
    »Wozu für dich?«
    Artemidoros grinste. »Damit ich mich im Alter, nach dem nächsten Krieg zwischen deiner und meiner Stadt,
daran erbauen kann, daß ich einmal einen Römer gekocht habe. Mit römischer Billigung.«
    Laetilius bleckte die Schneidezähne; er ging in die unterirdische Halle hinaus und rief etwas. Vier Männer von seinem Schiff, alle der Haltung nach Krieger, kamen die Treppe herab. Während sie sich mit der Leichenkiste abmühten, folgten Laetilius und Bomilkar dem Arzt treppauf, in eine Schreibstube.
    Dort hatte Artemidoros drei Papyrosabschnitte vorbereiten lassen. Alle enthielten die gleiche Menge Zeichen, in drei Sprachen. Der Römer überflog die lateinische Fassung, dann die hellenische.
    »Ich gehe davon aus, daß es auf Punisch keine Abweichungen gibt.«
    Der Arzt gluckste. »Wenn, dann würde ich es dir nicht sagen. Unterschreib einfach.«
    Laetilius nahm den an einem Ende breitgekauten Halm, tunkte ihn in die Tinte und schrieb dreimal seinen Namen auf Papyros. Der Arzt wedelte mit den Blättern, bis die Tinte getrocknet war, reichte eines dem Römer und blies die Öllichter aus.
    »Hinaus in die Nacht, und schüttelt nicht zu sehr, daß er keinen Grund zur Beschwerde habe.«
    Vier Fußkämpfer der Festung, libysche Hopliten, geleiteten den Zug durch die Stadt. Die Kiste war auf einen
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