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Als die Tiere den Wald verließen

Als die Tiere den Wald verließen

Titel: Als die Tiere den Wald verließen
Autoren: Colin Dann
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die Kreuzotter zu begrüßen. »Ist vielleicht eine charmante Kreuzotterdame dafür verantwortlich, daß du so zurückgezogen lebst?«
»Dafür ist nur mein eigener Entschluß verantwortlich, niemanden zu besuchen. Aber sollte ich ein derartiges Geschöpf treffen, dann würde man mich vermutlich noch seltener sehen.« Ihre scharfen Worte wurden von einem breiten Grinsen Lügen gestraft. Der Dachs lächelte ebenfalls.
Es dauerte ein Weilchen, bis die Tiere merkten, daß die Kröte als einzige nicht erschienen war. Alle sahen sich nach ihr um.
»Sehr eigenartig«, murmelte der Fuchs. »Sie kann es doch nicht vergessen haben!«
»Hoffentlich ist ihr nichts passiert!« sagte der Maulwurf und machte ein besorgtes Gesicht.
»Oh, sie wird bestimmt jeden Augenblick kommen!« meinte der Dachs. »Macht euch keine Sorgen.« Es war der Waldkauz, der die Kröte als erster entdeckte. »Ich sehe sie«, verkündete er. »Sie scheint sich Zeit zu lassen.«
Bald darauf konnten auch die anderen sie sehen. »Was macht sie denn bloß?« fragte das Wiesel. »Es sieht so aus, als wisse sie nicht, welche Richtung sie einschlagen muß.«
»Sie kommt auf jeden Fall nicht auf dem kürzesten Weg«, bemerkte das Oberste Eichhörnchen. »Sie hoppelt kreuz und quer umher.«
Sie sahen der Kröte fasziniert zu. Sie hüpfte von links nach rechts und dann wieder rückwärts. Dann hüpfte sie ein Weilchen geradeaus, um dann wieder ohne ersichtlichen Grund nach der Seite auszuweichen. Der Waldkauz verlor die Geduld. »Na los, Kröte!« rief er gereizt. »Wir warten alle auf dich!« Als die Kröte die Stimme des Waldkauzes hörte, hielt sie verwirrt inne. Zum ersten Mal schien sie die Gegenwart der anderen zu bemerken.
»Hallo!« rief sie, und dann gab sie noch ein eigenartiges Geräusch von sich - ein Zwischending zwischen einem Quaker und einem Schluckauf. Dann begann sie aufgeregt heranzuhüpfen. Mit einem letzten Satz landete sie Hals über Kopf in der Kuhle.
Während sie sich aufrappelte, tauschten die anderen verstörte Blicke.
»Wie herrlich, euch alle wiederzusehen!« sagte sie mit lauter Stimme. »Tut mir leid, daß ich zu spät komme, aber ich kam vom Weg ab. Ich bin in eine Pfütze gefallen! Hi-hi-hi-hi!« Die Kröte bekam einen Lachanfall und hickste.
»Kröte, was um alles in der Welt ist denn mit dir los?« fragte der Fuchs.
»Sie ist betrunken«, sagte die Kreuzotter. »Ich habe Menschen gesehen, die sich genauso aufgeführt haben.«
»Ja, ich bin betrunken!« rief die Kröte. »Und es ist herrlich! Wißt ihr, ich war unten am Teich«, erklärte sie, »und auf dem Weg hierher kam ich am Haus des Parkaufsehers vorbei. Plötzlich bemerkte ich einen köstlichen Geruch - einen sehr starken Geruch: ein wenig scharf und säuerlich. Ich habe mich umgesehen, wo der Geruch herstammen könnte, und tapste in eine kleine Pfütze mit einer goldbraunen Flüssigkeit. Sofort umgab mich das herrliche Aroma von allen Seiten, und ich konnte mich nicht beherrschen, ein kleines Tröpfchen zu probieren. Es war absolut phantastisch. Ich trank noch ein Tröpfchen...« Die Kröte machte eine Pause und sah sich breit lächelnd um.
»Den Rest der Geschichte können wir uns denken«, kommentierte der Fuchs trocken. »Nun, ich habe nur einen Schluck getrunken... oder zwei«, sagte die Kröte schelmisch. »Die Flüssigkeit lief aus einem großen hölzernen Behälter heraus, der im Garten des Parkaufsehers lag«, erklärte die Kröte. »Es muß durch eine Ritze herauskommen.« »Wonach hat es geschmeckt?« fragte der Maulwurf aufgeregt.
»So ähnlich wie es roch. Nur süßer. Und... es schmeckt fast ein wenig muffig.«
Der Maulwurf sah den Fuchs an, aber er wagte es nicht, nach dessen Meinung zu fragen.
Doch der Fuchs wußte genau, was im Maulwurf vorging. »Nein, nein, Maulwurf, das kann ich nicht gestatten!« sagte er nachdrücklich. »Das geht nicht.« Doch der Dachs war ganz unerwarteter Weise einmal anderer Ansicht.
»Ach, ich weiß nicht, Fuchs«, sagte er. »Das Zeug ist vermutlich harmlos. Immerhin scheint es der Kröte recht gut zu gehen.«
Der Fuchs erriet, daß der Dachs in eigenem Interesse sprach. »Nun, Dachs, es liegt an dir. Du trägst die Verantwortung.« Sofort umringten alle außer der Füchsin den Dachs. Das Gesicht der Kröte leuchtete noch mehr auf, sofern dies überhaupt möglich war.
»Wir werden auf unsere Gesundheit trinken«, sagte der Dachs in einem Versuch, die Aufregung der Tiere zu dämpfen. Er drehte sich um. »Kröte, zeigst du uns den
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