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Blütenrausch (German Edition)

Blütenrausch (German Edition)

Titel: Blütenrausch (German Edition)
Autoren: Mila Herbst
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Samstag
     
    Mein linker High Heel drückte. Während die hübsche Braut anmutig und grazil an der Hand ihres stolzen Vaters zum Freiluftaltar schritt, dachte ich an die Blase, die sich allmählich an meinem Fuß bildete. Als der Hochzeitsmarsch von Mendelssohn-Bartholdy zu Ende ging, übergab der Vater seine Tochter dem wartenden Bräutigam. Dieser lächelte sie an und bedankte sich mit einem Kopfnicken bei seinem zukünftigen Schwiegervater.
    Same procedure as every time .
    Der freie Theologe bat alle, wieder Platz zu nehmen. Ich aber stand weiterhin da, hinter der letzten Stuhlreihe, im wunderschönen kleinen Park des Schlosshotels Kaiser in Berlin Grunewald, und fluchte leise vor mich hin. Die Blase entwickelte sich zu einem selbstständigen Wesen und brannte wie Feuer, ohne Rücksicht auf mein Wohlbefinden. Selber schuld . Hätte ich doch den wichtigsten Rat befolgt, den ich allen meinen Bräuten bisher weitergegeben hatte: Die Schuhe immer vor dem großen Ereignis einlaufen. Aber ich musste mich ja ausgerechnet einen Tag vorher in ein paar neue Sitzschuhe verlieben. Die musste ich haben. Und die musste ich unbedingt zu dieser Hochzeit anziehen.
    Die fünfundzwanzigste dieses Jahres.
    Eine Möglichkeit , meinem Schmerz eine schnelle Linderung zu verschaffen, sah ich nicht. Mich kurz zu entfernen war ausgeschlossen. Würde ich durch meine Schritte die gespannte Aufmerksamkeit der Anwesenden unterbrechen, könnte ich meine Kunden verärgern. Und das konnte ich nicht zulassen. Ich war ja schließlich die Hochzeitsplanerin und man bezahlte mich, damit alles glatt lief und nicht einmal das Surren einer Fliege das Glück der Brautleute störte.
    Ave Maria . An dieser Stelle der Zeremonie, wenn neben den Klängen des extra für die Trauung in den kleinen Park gebrachten Flügels, eine Stimme dieses Lied sang, musste ich immer ein paar Tränen unterdrücken. Diesmal hatten die Tränen einen anderen Grund. Sie waren Ausdruck meiner Wut, es gewagt zu haben, diese mörderischen hohen und dazu noch teuren Schuhe gekauft und angezogen zu haben.
    Nachdem das Brautpaar die Ringe getauscht hatte, die Fürbitten vorgetragen worden waren, der Redner den Rest der Predigt hielt und die Musiker das letzte Stück spielten, konnte ich mich endlich kurz wegschleichen. Ich hatte kaum ein paar Minuten Zeit ein Wundpflaster auf meine Ferse anzubringen und mir meine Ersatzschuhe anzuziehen, bevor die Gäste ihre Plätze verließen.
    Ich kam gerade noch rechtzeitig , als das frisch vermählte Brautpaar am Ende des roten Teppichs stand und versuchte, sich vor einem Regen Rosenblüten zu schützen.
    » Sieht die Braut nicht umwerfend aus?«, bemerkte entzückt eine ältere Frau, die plötzlich neben mir stand. Sie trug ein hellgrünes Kostüm und einen Hut, den ein undefinierbares Etwas aus schwarzem Tüll zierte. »Und dieses Kleid! So elegant. Es steht ihr bezaubernd, nicht war?«
    »Ja, Sie haben recht. Sie ist eine sehr hübsche Braut, und das Kleid ist wunderschön«, gab ich nicht ohne Stolz zu. Als ihre Hochzeitsplanerin hatte ich Natalie eine kleine Schneiderei in Prenzlauer Berg empfohlen, die nur mit edlen Stoffen arbeitete und so kreierten wir ‒ die Schneiderin, Natalie und ich ‒ gemeinsam das Hochzeitskleid, das aus champagnerfarbener Wildseide angefertigt wurde.
    I ch wollte der Dame gerade etwas über das Kleid erzählen, da hatte sie sich schon von mir abgewandt und ließ die gleiche Bemerkung gegenüber einem jungen Mann fallen, der sich soeben neben sie stellte.
    » Vergiss nicht die Blumenkinder einzeln gehend zu fotografieren. Du weißt, wie sehr ich realistische Momente schätze«, sagte ich zu Markus, als er mit dem Rücken mir zugewandt vor mir stand und unablässig fotografierte. Er drehte sich um und ohne ein Wort zu sagen, warf er mir einen giftigen Blick zu. »Entschuldige, ich weiß«, sagte ich mit erhobenen Händen. »Du bist der Beste und ich brauch dir nicht zu sagen, wie du zu arbeiten hast«.
    Der Fotograf nickte spöttisch und nahm seine Arbeit wieder auf. Er kannte meine Neigung zum übertriebenen Perfektionismus, daher nahm er mir meine Art nicht übel. Ich mochte ihn und seine Arbeit, deswegen war ich immer froh, wenn das Brautpaar, auf meine Empfehlung hin, ihn und nicht einen anderen Fotografen aussuchte. Außerdem sah er verdammt gut aus. Nicht umsonst hatte er jahrelang als Model gearbeitet, bevor er hinter die Linse wechselte. Leider war er schon glücklich vergeben, sodass ein Langzeitsingle wie
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