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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper
Autoren: Willibald Spatz
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einem Stöhnen das Display aufleuchten.
    »Dann sagen Sie mir doch einfach, woher Sie die Schlüssel haben«, forderte sie nach.
    »Kurz: Sie lagen in diesem Umschlag in meinem Briefkasten.«
    »Wissen Sie, von wem er kam?«
    »Ich kenne die Schrift. Mein Bruder«, erklärte der Mann.
    »Soso, der Bruder. Lag sonst noch was dabei? Ein Zettel mit Anweisungen? Eine Karte, wo das Bargeld und der Schmuck hier versteckt sind?«
    »Nein, nein, das war meine Idee, hierher zu kommen und nach irgendwas zu suchen.«
    »Zum Beispiel nach Ihrem Bruder«, schlug die Frau vor. »Und tatsächlich wohnt Ihr Bruder hier.«
    »Wunderbar, dann komm ich doch mal vorbei, wenn er da ist, aber jetzt langt es. Der Kaffee war wunderbar. Danke vielmals.«
    »Das ist nicht so einfach«, bremste sie den Gehenden. »Ich habe keine Ahnung, wann Ihr Bruder wiederkommt, vielleicht ist er aber auch ausgezogen, nur mal eben eine Packung Zigaretten holen und so weiter und plötzlich, da war er weg.«
    »Wissen Sie, im Grunde ist mir das auch recht. Unser Verhältnis ist, ehrlich gesagt, mehr so lala gewesen. Dann soll er sich halt rühren, wenn er wiederkommt, dann können wir mal was zusammen machen, grillen, Minigolf, was weiß ich. Und wenn er sich nicht rührt, dann ist es auch okay. Auf Wiedersehen.«
    »Ich hätte schon gern, dass Sie mir ein bisschen was erzählen. Sie sind vielleicht der Letzte, mit dem er Kontakt hatte nach seinem Verschwinden, und mir liegt schon etwas daran, ihn wiederzusehen, unser Verhältnis ist nicht so lala: Ich bin Katharina. Wir sind verlobt, Herr Birne.«
    »Moment, Moment, Birne heißt mein Bruder. Ich heiß nicht so. Ich heiße Jakob«

Theaterkantine
    Eilte er auf dem Hinweg, so rannte der Bruder auf dem Rückweg. Eine flüchtige Inspizierung des Straßenbahnfahrplans machte klar, dass mit dem öffentlichen Personennahverkehr nur wenig reinzuholen war. Wenn die Bahn feststeckte, würde er Zeit verlieren. Also rannte er. Trübes, zu kaltes Wetter hatten sie diesen Mai, er bekam Schweißflecken unter den Achseln, aber für niemanden sichtbar, da er die Jacke anbehalten hatte, um schneller voranzukommen.
    Das Ziel, das Stadttheater, zeigte sich unbeeindruckt von seiner Hektik. Er steuerte den Kantineneingang an, der sich links vom Haupteingang befand. Da wurde er aufgehalten von einem jungen Menschen mit buntem Haar und einem Ring in der Nase. Statt zu schnorren, sagte er: »Die sind gefährlich!« und hielt Jakob ein kleines schmutziges Papier unter die Nase.
    »Danke«, erwiderte Jakob und wollte weiter, vorbei.
    »Nein, nimm!« Jakob nahm’s widerwillig, und der Aktivist erklärte: »Das sind Nazis und die überrennen uns, wenn wir nichts tun.« Auf dem Flyer stand viel Text in vielen verschiedenen Schriftarten, teilweise fett, teilweise kursiv. »Bist du dabei?«
    Jakob nickte und bekam dafür die Bahn frei gemacht.
    In der Kantine im Keller des Stadttheaters nahmen ein paar Techniker und augenberingte Schauspieler einen Vormittagskaffee mit Croissant. Wenig Betrieb, aber schon ein gehöriger Lärmpegel wegen des Gewölbes. Jakob erkannte auf seinem Handy, dass er nicht zu spät war; er holte sich erst mal Kaffee. Ein schwarzhaariges Mädchen reichte ihm die Tasse über die Theke. Ein wenig schwappte über. Der dicke Chef stand hinter der Kleinen, hatte nichts zu tun, als die Arbeit seiner Bediensteten zu überwachen, und grunzte missbilligend. Jakob fragte er mit unterfränkischem Akzent: »Wollen Sie eine Johannisbeerschnitte?«
    »Danke«, antwortete Jakob.
    »Ist ganz frisch, saulecker. Musst du probieren.«
    »Also gut, also gut.«
    »Danke, sehr gern. Das freut den Chef, wenn’s schmeckt«, freute sich der Chef. Der von sich in der dritten Person Sprechende stupste sein Mädchen an, damit es den Teller des Gastes reichlich mit Essen belud.
    Jakob setzte sich so, dass er den Eingang gut im Blick hatte. Den Kuchen stopfte er eifrig in seinen Mund, drückte letzte Brösel auf seine Gabel. Keinen derer, die hereinkamen und ihn bemerkten, interessierte er länger als zwei, drei Augenblicke. Er war einerseits kein selbstverständlicher, andererseits kein aufregender Gast hier.
    »Jetzt ist noch ein bisschen Ruhe, aber nachher, wenn sie alle von der Probe kommen, dann geht es rund.«
    Bei Jakob stand der Kantinenchef, er setzte sich dick neben ihn hin, stank schon nach Fritteuse und hatte versifftes Kochgewand an, das er unmöglich an diesem Vormittag während seiner Küchenaktivitäten dermaßen hatte besudeln
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