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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper
Autoren: Willibald Spatz
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vorerst die letzte Mahlzeit. Gut, dass sie wenigstens gut war. Und danach nur noch Moral.
    Moni steuerte das Klo an. Jetzt sah sie Jakob, sie lachte und kam zu ihm. Ohne ihn um Erlaubnis zu fragen, herzte sie ihn an seinen Schultern und setzte sich an den Tisch.
    »Zuerst lebt man jahrelang in derselben Stadt, ohne sich über den Weg zu laufen und plötzlich sehen wir uns täglich. Wer glaubt jetzt nicht ans Schicksal? Wie ist dein Artikel geworden? Ich freu mich schon.«
    »Da muss noch was raus, aber passt«, fasste Jakob die Lage in Worte. »Wie laufen eure Proben?«
    »Heiße Phase jetzt. Da geht allen das Wasser, klar. Du kommst doch zur Premiere?«
    »Bin mir noch nicht sicher.«
    »Ich reserviere dir eine Karte. Oder zwei?«
    »Eine passt. Was ist mit eurem Problemkind?«, erkundigte sich Jakob.
    »Welches meinst du? Ach, Oliver. Das war ein einmaliger Ausraster, der ist wieder voll in der Gruppe. Arne hat ihm das verziehen. Wir haben uns drauf geeinigt, dass keiner ein Wort zur Polizei sagt, damit unser Oliver nicht noch mehr Probleme kriegt. Wäre schade um den Kerl, der hat was drauf, auf der Bühne und auch sonst.«
     
    Beim Verdauungsheimweg wollte Jakob das Theater meiden und bog vorher rechts ab in die Frölichstraße und stand nach wenigen Schritten vor der Polizeiinspektion Augsburg-Mitte, aus der heraus Birne gegen das Böse gewirkt hatte. Jakob nahm einen tiefen Zug Freiluft und betrat das Gebäude. Man empfing ihn hinter einer Rezeption und fragte nach seinem Problem.
    »Guten Tag. Ich bin nur wenige Stunden in der Stadt, muss umsteigen am Bahnhof nach Südtirol, und will nun meinen Bruder sehen. Er heißt Birne und soll hier arbeiten.«
    Der Beamte vor ihm schaute zu Boden und ihm dann ins Gesicht. »Der soll hier arbeiten, der arbeitet aber hier nicht. Wo er sich gerade aufhält, kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
    »Wer kann mir das denn sagen?«
    »Sie sind der Bruder?«
    »Sag ich.«
    »Dann müssten Sie mehr wissen als ich. Kann ich sonst noch was für Sie tun?«, fragte der Mann ungeduldig.
    »Nein, mir fehlt sonst nichts.« Jakob ließ seinen Kopf enttäuscht hängen.
    »Das tut mir leid für Sie. Hier weiß keiner was. Der Birne ist einfach weg. Wir sind nur die Polizei, wir sind nicht der Liebe Gott.«
     
    Langsam setzte Jakob seinen Weg fort. Er schloss den Reißverschluss seiner Jacke, der Wind blies ihm ins Gesicht. Es war immer noch zu kalt für diese Jahreszeit. Jeden Tag zu kalt. Eine blonde Polizistin rannte aus dem Gebäude ihm nach, klopfte ihm auf die Schulter und sprach ihn an: »Sie sind Birnes Bruder?«
    Jakob drehte sich um und blickte in ein fragendes Gesicht. »Ich bin Birnes Bruder.«
    »Sie wissen auch nichts.«
    »Was wissen Sie?«
    »Dass er eines Tages nicht mehr aufgetaucht ist. Nicht einmal seine Verlobte weiß was. Birne ist verschwunden, keinen regt das auf«, stellte die Polizistin traurig fest.
    »Mich regt das schon auf, ehrlich gesagt«, empörte sich Jakob. »Das ist unsere Gesellschaft: Jeder ist jedem allmählich egal. Solange du Leistung pünktlich ablieferst, bist du okay und wenn du nur einen Tag fehlst, ist es so, als hätte dich deine Mutter nie geboren.«
    »Haben Sie einen Moment für mich? Ich lade Sie auf einen Kaffee ein. Hier gleich im Eiscafé.«
     
    Jakob rührte in seinem Tee, der auf seinem Tisch stand, als er von der Toilette zurückkam. Er hatte kurz in seinem Portemonnaie gewühlt und wusste nun, dass er die Einladung annehmen musste.
    »Was war denn Birnes Fall zuletzt?«, eröffnete er.
    Die Polizistin, die sich als Tanja vorgestellt und ihm sofort das Du – sie und Birne seien extrem gut bekannt – angeboten hatte, suchte in dem Gesicht gegenüber nach Spuren von Birnes Physiognomie. Ein ungepflegter Bart und eine die Proportionen verschiebende Brille gegen Weitsichtigkeit erschwerten das Bemühen. Der Mann roch streng. Keiner, in den man sich auf den ersten Blick verliebt, dafür war zu wenig Arsch in der Hose und zu viel Huhn an der Brust.
    »Davon hast du bestimmt gelesen. Birne hatte einen Riecher für die medienträchtigen Geschichten. Sagt dir der Name Heinz Horst was?«
    »Klar.«
    »Den hat er noch besucht, danach hat ihn keiner mehr gesehen. So weit sind wir jetzt.«
    »Sucht ihr schon offiziell?«
    »Bei Birne? Der ist ein erwachsener Mann. Wahrscheinlich hat er auf irgendwas keinen Bock gehabt.« Tanja rührte konzentriert in ihrem Cappuccino-Schaum. »Die Verlobung, das ist mein Tipp. Birne ist keiner, der heiratet, der
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