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Alpenkasper

Titel: Alpenkasper
Autoren: Willibald Spatz
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mich ja nicht«, schimpfte der Regisseur und verschwand türenknallend im Foyer.
    »Gibt’s einen Verbandskasten hinter der Bühne?«, fragte Jakob. Die Assistentin sprang nach vorne über die Bühne und holte die Kiste. Jakob brachte den Arne dazu, das Tuch vom Auge zu nehmen und ihn einen Blick draufwerfen zu lassen. Die Klinge war am Stirnknochen abgerutscht und hatte gerade das Ohr gestreift, ohne am Auge selbst Schaden anzurichten. Jakob desinfizierte und versorgte die Wunde und redete nebenbei auf den Jungen ein: »Wenn die Sanitäter kommen, dann lass dich von denen mitnehmen, damit die Wunde genäht wird. Das muss man schnell machen, dann gibt’s fast keine Narbe. Nichts Schlimmes, da war der Schreck größer. Tut’s überhaupt noch weh?«
    Arne lächelte leicht. »Fast schon nicht mehr.«
    »Dann wird alles gut.«
    Keine zwei Minuten später war der Notarzt da, im Schlepptau die Sanitäter, die Arne mitnahmen.
    »Das Spektakel ist gelaufen, Freunde«, kommentierte Franzbein und hatte mit einem Mal eine große Flasche Obstbrand in der Hand – Williams Birne. »Dieser Schreck rechtfertigt erst mal einen.« Er schickte Personal in die Küche, um Gläser zu holen.
    »Da sind ja ein Haufen junge Leute da, die dürfen ja noch gar nicht. Obwohl in dem Fall ist es ja Bühnenschnaps, das gilt nicht.« Franzbein schenkte allen ein. Und alle wurden mehr. Es sprach sich im Haus herum, dass auf der Bühne Session war. Es gab auf einmal auch einen CD-Player und Musik.
    »Das Spektakel hat doch gerade erst angefangen«, sagte Jakob zu der Assistentin, zu der er sich still hingearbeitet hatte und deren Jeans in einem Blumenrock steckte. Sie hielt wie Jakob noch ihr erstes Stamperlglas halb voll mit Schnaps in der Hand.
    »Kann aber genauso schnell wieder vorbei sein. Wenn der Albert wiederkommt, dann zieht er den Stecker.«
    »Albert?«
    »Neun, mein Regisseur.«
    »Was probt ihr denn?«, wollte Jakob wissen.
    »Das ist mehr so ein Projekt, die meisten von denen sind Jugendliche ohne Arbeit. Wir haben halt mit denen so Texte erarbeitet, in denen sie ihre Geschichte erzählen und wieso sie keiner haben will und das setzen wir halt gerade szenisch um, das heißt, wir versuchen es, die meisten von denen haben halt noch nie ein Theater von innen gesehen, die wissen nicht, wie man sich auf einer Bühne benimmt, auf was es da ankommt. Dazu haben sie Streit auf fast jeder Probe, die hauen auch ineinander rein, als ob sie überhaupt kein Gespür hätten für einen anderen. Und danach sind sie wieder beste Kumpels. Da könnte man fast daraus das bessere Stück basteln. Wobei wir Messer noch nie im Einsatz hatten.«
    »Ich habe mir schon gedacht, die sind alle recht jung hier.«
    »Es sind ein paar echte Schauspieler dabei, die das Ganze coachen und einspringen, wenn es gar nicht mehr geht – schauspielerisch, nicht beim Raufen.«
    »Ich war eigentlich vorhin mit deinem Regisseur verabredet. Wollte ein Interview machen über euer Projekt. Das hat er wohl verschwitzt in der Aufregung. Ich hätte die Geschichte gerne heute Nachmittag geschrieben. Blöd jetzt. Kann ich dir ein paar Fragen stellen?«
    »Du, ich kann dich zu ihm bringen. Der ist in seinem Büro. Komm, ich nehm dich mit.« Sie zog ihn mit sich durch das Parkett auf den ersten Zuschauerausgang zu. Jakob goss sich im Stolpern den Rest vom Schnaps in die Kehle. Lauwarm entfaltete er sein ganzes Aroma, gute scharfe Birne im Glas.
    »Ehrlich gesagt ist die Messerstecherei eigentlich die bessere Story, da brauch…«
    »Hast du Angst?«. Ganz schön keck, die Assistentin.
    »Wie heißt du eigentlich?«
    »Moni.«
    Sie standen vor dem Büro des Oberschauspielleiters und hielten sich noch immer an der Hand. Kleine Mengen ihres jeweiligen Handschweißes hatten sich vereinigt. Die Tür öffnete sich von innen, als Moni zur Klinke greifen wollte. Albert Neun kam ihnen entgegen und ein Jugendlicher, dem er seine Pranke auf die Schulter gelegt hatte.
    Er war überrascht, die beiden hier zu sehen: »Habt ihr gelauscht?«
    »Nein, wir kommen gerade im Moment«, verteidigte sich devot Moni.
    »Das hier ist kein Bürgerbüro, in das jeder reinspazieren kann. Moni, ich möchte, dass du dir dieses Privilegs bewusst bist.«
    »Bin ich ja.«
    Jakob mischte sich ein: »Entschuldigung, Herr Neun, wir hatten vorher eine Verabredung. Jetzt hab ich mir erlaubt, Sie persönlich…«
    »Ach ja, die Presse. Sie haben recht. Entschuldigen Sie, aber Sie haben den Tumult eben mitbekommen. Das ist
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