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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus
Autoren: Lars Brandt
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zu freuen, sondern findet bestimmt sofort heraus, wo das Problem bei dem liegt, was sie für die Lösung hält. Bob hat sich auf die Beine gestellt, seinen Rücken gewölbt und ist dann vom Sofa gesprungen. Seine Krallen ticken leise über die Steinfliesen der Küche. Dann schleckt er etwas Wasser, gerade noch vernehmlich, wenn man darauf achtet. Walter setzt sich zu Trixi und gibt ihr den Wein. Er ist müde, hundemüde. Zügig leert er sein Glas und geht nach kurzer Zeit zu Bett. Trixi sieht sich in der nachtschwarzen Balkontür gespiegelt auf dem Sofa liegen. Etwas später folgt sie ihm.
    Walters Augen schließen sich, sobald er ausgestreckt ist. Verärgert denkt er noch, dass Mirko (behauptend, der Agentur auf diese Weise den wichtigsten Zukunftsmarkt zu erschließen) einen gewissen Fu Biao auf Firmenkosten zu einer unglaublich teuren Verkostung uralter Maltwhiskys eingeladen hat – mit keinem anderen Resultat als einem betrunkenen Chinesen. Natürlich handelt es sich um Mirkos Geld, es ist seine Firma, aber wenn die mehr ausgibt als sie einnimmt, kann das niemandem gleich sein, der dort beschäftigt ist. In der nächsten Sekunde ist Walter eingeschlafen. Licht stört ihn nicht – nicht am Morgen und nicht in der Nacht. Trixi liest noch. Als sie nach einigen Seiten hinübersieht, bemerkt sie, wie sich die Spannung aus seinen Zügen auch im Schlaf nicht löst. Er atmet heftig, denn erst sieht er nichts als zwei machtvolle Fleischsäulen, ihre Beine, lang und fest in einem Minirock aus Leopardenfell verschwindend, der sich eng und knapp um ihre Hüften spannt. Walter schaut hoch zu ihr. Sie erblickt sein Gesicht, ihre roten Lippen entblößen herrliche weiße Zähne, und ein Lachen bricht aus ihnen hervor, wie es noch nie irgendwo zu hören war. Da steht fest, was er zu tun hat: Er zieht seine Pappnase ein Stück aus dem Gesicht und lässt sie dann ganz plötzlich an ihrem Gummiband zurückschnellen. Zack! Der Leopardenrock bebt vor Freude. Sie lacht. Lacht vor Lust: »Was machst du denn da, Mohnerlieser?«
    Der Herbst aber, wird ihm da klar … dass ihm der Herbst noch einmal so schön erscheinen kann – wieso denn eigentlich noch einmal ?, begehrt es in ihm auf. Dirk Amy Mohnerlieser, wie sein Name in der Tat lautet, registriert erstaunt, dass die Angst vor dem Herbst, die sich vor langer Zeit in seiner Brust einnistete, plötzlich von ihm abgefallen ist.
    »Wenn es nur darum geht, dass ich von A nach B gelange …« Dieses Geschwätz im Radio ist ja nicht länger zu ertragen. Mohnerlieser stellt den Apparat aus: »Von A nach B? Schweinerei!«
    Walter Tomm wälzt sich im Bett, in seinem Mund hat sich ein seifiger Geschmack breitgemacht. Vielleicht taugt der Chablis doch nicht viel, wenn er auch ein Heidengeld gekostet hat. Walter greift neben sich und kippt ein Glas Mineralwasser. Furcht vor dem Herbst? Schön wär’s, denkt er an seinen Traum, wenn es nur eine Jahreszeit wäre. Nachdem er vor ein paar Stunden besinnungslos weggesunken ist, wartet nun die polierte Ebene seines Bewusstseins darauf, dass die Ängste aus der Dunkelheit herangekrochen kommen. Natürlich, um vier tanzt das Grauen Rumba – all der Schauder, der sich ans Licht nicht wagt. Aber es gibt Regularien, Abläufe, die sicherstellen, bei Licht wird alles anders aussehen, als die Furcht es erzwingen will. Und mit der Rasur zieht die Wirklichkeit in die Schlacht gegen die Angst.
    Neben ihm gibt Trixi im Schlaf ein leiselustvolles Stöhnen von sich. Oder? Ob ihr etwas Sorge bereitet? Wie sehr man ihn auch liebt, zum eigentlichen Geschehen im Kopf des anderen hat niemand Zutritt.
    »Walter«, sagt die helle Stimme aus dem Schlaf neben ihm zärtlich.

Crème brûlée
    An der London Metal Exchange werden die Geschäfte täglich von 11:40 Uhr bis 13:15 Uhr und dann noch mal von 15:10 Uhr bis 16:35 Uhr abgewickelt, jeweils mit zehn Minuten Pause. Aber das bedeutet nicht, dass Stelter nur auf einem fein abgezirkelten, gepflegten Rasenstück zu kämpfen braucht, wo vielleicht zwischendurch auch noch Tee serviert wird. Von seiner Firma in Deutschland aus verfolgt er auf dem Bildschirm die Kursentwicklungen an der maßgeblichen Welt-Metallhandelsbörse für Zink, Zinn, Kupfer, Aluminium. Der Preis für Aluminium ist binnen eines Jahres um 60 Prozent gestiegen, der für Nickel um 130 Prozent, aber wer davon profitiert, steht auf einem anderen Blatt. Die meisten Kurse springen wild herum wie Pingpongbälle.
    Sein Posten trägt dieselbe
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