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Alles auf eine Karte

Titel: Alles auf eine Karte
Autoren: M Murnane
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Und, wie geht es dir heute?«
    »Gut.«
    »Komm, mach mir nichts vor. Wie geht es dir wirklich?«
    Ich studierte den Himmel. »Was soll das heißen?«
    Sie boxte mich in den Arm. »Ich weiß genau, warum gestern dein Handy ausgeschaltet war. Tu bloß nicht so, als hättest du meine Nachricht nicht abgehört.«
    »Gestern? Was war denn gestern?«, fragte ich, den Blick auf die Straße gerichtet.
    »Du bist eine miserable Lügnerin.«
    »Was? Warum denn?« Ich betrachtete erneut den Himmel.
    »Hör auf damit, Wave.«
    »Okay, okay. Es geht mir be…scheiden.« Der Tag zuvor wäre mein erster Hochzeitstag gewesen, wenn Aaron und ich geheiratet hätten. Ich war ins Kino gegangen und hatte den Rest des Tages auf der Couch verbracht. Allein.
    »Hattet ihr mal wieder Kontakt?«, wollte Mackie wissen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn seit Monaten nicht gesehen. Seit ich meine restlichen Sachen abgeholt habe.«
    »Hör mal, so toll war er nun auch wieder nicht.«
    Ich grinste. »Und ich soll eine schlechte Lügnerin sein?«
    Sie lachte. »Okay, du hast Recht, er war toll. Aber das ist doch jetzt egal. Dein Trauerjahr ist vorbei, richtig?«
    Ich musterte sie amüsiert. »Trauerjahr? Das klingt nach einer schwarz gekleideten italienischen Witwe.« Dabei waren tatsächlich sowohl mein Fleecepulli als auch meine Jogginghose schwarz. Die schwarzen Handschuhe hatte ich zu Hause gelassen, eine Entscheidung, die ich bitter bereute.
    »Ich will dir doch nur helfen«, sagte sie.
    Ich sah auf die Uhr. »Das ist mir klar, und ich weiß es zu schätzen. Hey, lass uns einen Zahn zulegen. Ich muss noch so viel erledigen, ehe ich morgen in den Flieger nach Atlanta steige.«
    Den Rest unseres Spazierganges legten wir mit Hochgeschwindigkeit zurück, und um Viertel nach acht betrat ich die Lobby von K.A. Marketing. Rund zweihundert Angestellte arbeiten in den Büros unserer Zweigstelle in San Francisco. Das vierstöckige, weiß getünchte Gebäude war kurz vor unserem Einzug vor zwei Jahren runderneuert worden. Moderne Architektur mit einem Schuss Retro-Lagerhaus-Charme – hohe Räume, dunkle Holzböden, unverputzte Ziegelmauern und coole freiliegende Leitungen.
    Am Kaffeestand in der Vorhalle besorgte ich noch schnell eine Packung Kakao und einen Bagel mit Schokostückchen. In meiner Abteilung, die für Sport und Unterhaltung zuständig ist, begann die Woche immer mit einer Besprechung, und die überstand ich nur mit einer ordentlichen Dosis Schokolade. Seit Mandy Edwards aus der Zweigstelle in Chicago zu uns gestoßen war, gestaltete sich das Montagmorgenmeeting leider regelmäßig noch eine Spur unerträglicher als sonst.
    Ich erklomm die Treppe und durchquerte im Zickzack das Großraumbüro, in dem sich die eintrudelnden Leute über das vergangene Wochenende austauschten. Ich betrat mein Büro, deponierte Kakao und Bagel auf dem Schreibtisch, hängte meinen Mantel an den Haken hinter der Tür und trat wie immer ans Fenster, um die Aussicht zu bewundern. Manchmal kam es mir fast so vor, als würde ich diesen Ausblick mehr lieben als meinen Job.
    »Morgen, Waverly. Wie war dein Wochenende?«
    Ich wandte mich um und sah Kent Tanner in der Tür stehen. »Oh, hi, Kent. Ganz nett, danke. Unspektakulär. Und deines?«
    Er zuckte die Achseln. »Das Übliche. Wenn man erst einmal Kinder hat, ist jedes Wochenende im Grunde nur noch ein einziges Durcheinander aus Zeichentrickfilmen, Erbrochenem, dreckigen Windeln und Spielzeug, das im ganzen Haus herumliegt.«
    Ich grinste. »Kent, du weißt einfach, wann ich eine ordentliche Dosis Realität brauche, um in den Tag zu starten. Und, bist du bereit für die Super Show? Diese Messe ist völlig anders als die ganzen Technologie-Fachausstellungen. Glaubst du, du wirst dem Chaos gewachsen sein?« Kent arbeitete erst seit ein paar Monaten in unserer Abteilung.
    »Machst du Witze? Verglichen mit dem Verkauf von Unternehmenssoftware wird das hier ein Kinderspiel.«
    »Na, dann … Lass mich vor der Besprechung nur noch kurz meine E-Mails checken.« Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und loggte mich in meinen Account ein. »Pfff. Eine Nachricht von Mandy Edwards an die gesamte Abteilung. Gesendet am Sonntagnachmittag. Natürlich.«
    »Natürlich«, sagte Kent.
    Ich schüttelte genervt den Kopf. »Was will sie nur damit bezwecken? Begreift sie denn nicht, dass es total übertrieben wirkt, wenn sie ständig von zu Hause aus E-Mails verschickt?« Viele meiner Kollegen sind zwar im Besitz eines
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