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Alles auf eine Karte

Titel: Alles auf eine Karte
Autoren: M Murnane
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Jahre«, erwiderte er. »Und du?«
    »Seit meinem College-Abschluss … das müssten dann acht Jahre sein«, sagte ich.
    »Wow, schon eine ganze Weile also.«
    »Ja, schon eine ganze Weile.«
    Wieder Schweigen im Walde. Warum wollte mir partout kein interessantes Gesprächsthema einfallen? Vor Aaron war ich kaum zu bremsen gewesen. Jetzt kam ich mir langweilig und uninteressant vor. War ich wirklich eine derart lahme Trantüte?
    Ich betrachtete Rick erneut und fragte mich, was ich eigentlich an ihm auszusetzen hatte. Er sah nicht übel aus, und er entsprach meinen Anforderungen, was die Körpergröße anging (die nebenbei bemerkt mit jedem Freitagabend, den ich zu Hause vor dem Fernseher verbrachte, bescheidener wurden). Aber diese Augen … und sein Kinn … Er erinnerte mich an jemanden, nur an wen? Jedenfalls fand ich diese Ähnlichkeit irgendwie unsexy.
    »Du arbeitest also in einer Sport- PR -Agentur?«, sagte er schließlich. »Das klingt spannend. Betreibst du selbst viel Sport?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Ehrlich gesagt bin ich sogar ziemlich unsportlich. Ich kann maximal eine halbe Stunde am Stück joggen. Wenn ich richtig gut drauf bin, vielleicht fünf oder sechs Minuten länger …«
    »Richtigen Sport machst du also nicht?«, wollte er wissen.
    »Ähm, zählt Yoga für Anfänger als Sport, wenn man einmal im Monat hingeht?« Ich lachte halbherzig und nahm einen ordentlichen Schluck Bier.
    »Siehst du dir denn hin und wieder ein Spiel an? Football oder Baseball?« Rick griff – genau wie ich – verzweifelt nach jedem noch so dünnen Strohhalm, damit die Unterhaltung nicht gleich wieder ins Stocken geriet.
    Wieder verneinte ich und lachte. »Nö … Ist nicht wirklich mein Ding.«
    Er fand das offenbar nicht besonders witzig. »Warum arbeitest du denn dann überhaupt in dieser Branche?«
    Ich kratzte am Etikett meiner Bierflasche. »Ähm, ich bin quasi damit aufgewachsen. Mein Dad war Baseballprofi. Er hat für eines der Spitzenteams in der Minor League gespielt.«
    Jetzt war sein Interesse geweckt. »Ach ja? Für welches denn?«
    »Für die San Jose Giants.«
    »Wahnsinn. Welche Position?«
    »Pitcher.«
    Diese Information fand Rick sichtlich interessanter als mich. »Ist ja cool. Wurde er auch mal in die Major League berufen?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. »Das hat er sich immer gewünscht, und es hätte auch fast geklappt, aber dann war er leider gezwungen, seine Karriere frühzeitig zu beenden. Deshalb hat er den Sprung in die Major League nie geschafft.«
    »Eine Verletzung?«
    »So was in der Art«, sagte ich. »Ist eine lange Geschichte.«
    Er musterte mich mit einem Blick, den ich nur zu gut kannte: Er hätte gern nachgebohrt, war jedoch zu gut erzogen.
    Er nippte an seinem Bier. »Arbeitet er noch im Sportbusiness?«
    »Äh, nein.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Oh. Na, schön, dass du es tust. Klingt jedenfalls ziemlich glamourös.«
    »Ja, ist ein toller Job«, bestätigte ich, wie immer bei solchen Gelegenheiten, und kratzte erneut am Etikett meiner Bierflasche. Von wegen glamourös. Der liebe Rick hätte mich mal sehen sollen, als ich vor zwei Tagen aus einer Schale im Konferenzraum alle grünen M&M’s aussortieren musste, weil die Tennisspielerin, die für die Sport-BHs unseres Klienten wirbt, »die grünen nicht ausstehen kann«.
    Wieder herrschte Schweigen. Ist schon mal jemandem aufgefallen, wie laut so ein Schweigen sein kann? Schon seltsam, oder?
    »Und, bist du gern Anwalt?«, erkundigte ich mich.
    »Manchmal, ja«, gab er wortkarg zurück.
    »Hm. Cool.« Ich stierte auf den Tisch. Aus unerfindlichen Gründen hatte ich das Gefühl, alle Anwälte in ganz San Francisco müssten Aaron kennen und somit auch wissen, dass er mir den Laufpass gegeben hatte. Ob der Amerikanische Berufsverband für Richter und Rechtsanwälte wohl Akten über die Damenbekanntschaften seiner Mitglieder anlegt?
    Schweigen.
    Als hätte sie unsere Verzweiflung gespürt, kam in diesem Augenblick die Kellnerin an den Tisch und brachte uns zwei neue Flaschen Bier sowie einen Teller mit Nachos, Quesadillas und Buffalo Wings. Ich stürzte mich sofort auf mein Bier. Warum gibt es Corona eigentlich nicht in Literflaschen? Als Horrordate-Edition sozusagen.
    »Und du bist sicher, dass wir uns noch nie begegnet sind?«, fragte ich und nahm mir eine Quesadilla.
    Er nickte. »Ganz sicher. Den Namen Waverly hätte ich mir bestimmt gemerkt, wegen der Cracker von früher.«
    Ich verdrehte die Augen.
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