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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Autoren: Tuvia Tenenbom
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von Psychiatern, um das herauszufinden. Nicht, daß es wirklich wichtig wäre: Wir sind damit beschäftigt, uns die Bäuche vollzuschlagen, und das Essen ist köstlich.
    Nachdem wir unsere »typisch jüdische Mahlzeit« beendet haben, gibt mir Alvaro freundlicherweise noch einige Tips für die Reise:
    »Katholiken sind korrupt. Die Deutschen nicht. Deshalb ist die Reformation bei den Deutschen losgegangen. Luther. Ein Deutscher. Die Deutschen sind am demokratischsten.«
    Na, dann wollen wir mal sehen, was Sache ist!

Kapitel 3   In dem ich in Deutschland lande, wo gerade REVOLUTION! gemacht wird, und ich mit der radikalen Linken marschiere
    Am folgenden Morgen fliege ich nach Budapest, von wo aus ich ein paar Tage später ins Vaterland aufbreche. Warum ich diese nebensächlichen Details aufschreibe? Weil ich ein getreuer Chronist bin … Jedenfalls lande ich schließlich in Hamburg, wir schreiben den 1. Mai. Ich bin in Deutschland!
    In Amerika begehen wir auch den Tag der Arbeit, aber das ist im September. Der 1. Mai gefällt mir besser. Denn der Sommer steht vor der Tür, und es wird wärmer. Eine gute Zeit zum Feiern. Ich bin bereit! Ich frage ein bißchen herum, wo ich feiern könnte, und erfahre, daß die Gewerkschaften eine »Demo« veranstalten, während die »Anarchisten«, die Leute von der radikalen Linken, einen Protestmarsch durchführen. Was mir lieber wäre? In den Vereinigten Staaten nutzen Kaufhäuser wie Macy’s den Tag der Arbeit, um Rabattaktionen durchzuführen. Hierzulande genießen es die Menschen hingegen, nach draußen zu gehen. Soll mir recht sein. Ich werde beide Veranstaltungen aufsuchen. Ich habe Zeit.
    Zuerst die Gewerkschaften. Ein Gewerkschaftsvertreter läßt sich auf einer Bühne über Lautsprecher vernehmen, während die Leute ringsum damit beschäftigt sind, zu trinken, zu essen oder zu rauchen, wenn sie nicht alles gleichzeitig tun. Zuzuhören scheinen nur wenige. Einer von den wirklich Interessierten hält ein Banner der Partei Die Linke hoch, dessen tiefrote Farbe mir so gut gefällt, daß ich auch so eins will, also spreche ich ihn an. Er ist ein Antikapitalist, sagt er mir. Er fühlt sich verpflichtet, »die Menschen zu bekämpfen, die nur ans Geld denken«, jene verhaßten Kapitalisten.
    In Ordnung. Das ist sein gutes Recht. Deutschland ist die demokratischste Nation, wie mich Alvaro gelehrt hat, und in einer Demokratie muß man auch hassen dürfen. Kein Problem.
    Doch, ein kleines Problem: Wie kriege ich ihn dazu, daß er mir sein Banner überläßt?
    Vielleicht kann ich es ihm ja abschwatzen.
    Sieht gut aus, sage ich ihm. Ich mag das Rot. Das ist ein wirklich gutes Rot. Kann ich das Banner haben?
    Der Antikapitalist scheint sich darüber zu freuen, daß ich seine Fahne mag: »Die kriegen Sie für fünf bis zehn Euro auf der Website von Die Linke.«
    Sie sagen, Sie sind ein Antikapitalist, stimmt doch, oder?
    »Ja, genau.«
    Was sind dann, im Grunde genommen, zehn Euro zwischen Leuten wie Ihnen und mir? Das ist doch kein Geld.
    Bernhard, ein älterer Herr, der neben ihm steht, ist ein überzeugter Linker und total gegen den Kapitalismus. Was haben die Kapitalisten getan, daß er sie so sehr haßt? »Sie wollen Geld!«
    Der Gewerkschafter auf der Bühne spricht laut, er brüllt fast. Worüber redet er? Nun ja, Geld. Die Menschen – also die Arbeitnehmer – sollten mehr Geld bekommen. Und noch mehr Geld. Ich frage Bernhard, ob er dem Gewerkschafter zustimmt.
    Er ist ein bißchen sauer auf mich. Natürlich stimmt er ihm zu, was soll die dämliche Frage! »Die Menschen müssen etwas zu essen haben, und dafür brauchen sie Geld, das ist doch nicht so schwer zu verstehen?!«
    Ich bitte Bernhard, mir den Unterschied zwischen dem Gewerkschafter und den Kapitalisten zu erklären, die er so glühend haßt. Wollen nicht beide dasselbe – Geld?
    Jetzt wird Bernhard wirklich böse auf mich. Er will wissen, wer ich bin und wo ich herkomme. Das muß schon ein seltsames Land sein, das solche Idioten hervorbringt.
    Ich bin aus Jordanien, erzähle ich ihm.
    Das besänftigt ihn. Jordanien scheint er zu mögen. In Jordanien hat der Kapitalismus noch nicht so recht Fuß gefaßt, oder? Heiß ist es da und überhaupt, sinniert er mit mir.
    Sagen Sie mir, Bernhard, was ist für Sie der Sinn des Lebens? Was treibt Sie an?
    Keine Ahnung, warum ich ihn das frage. Kam mir halt so in den Sinn.
    Mich verblüfft seine Antwort: »Zwei Dinge: Frieden schaffen. Kapitalisten bekämpfen.«
    Vielleicht
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