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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Autoren: Tuvia Tenenbom
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er mir mit, »könnte ich Sie auch auf einen Flug in vier Tagen buchen.«
    In vier Tagen?
    Ja. »Vorher ist nichts frei. Alles ausgebucht. Ihre Fluggesellschaft fliegt zwar morgen früh, und der Flug würde Sie nichts kosten, weil es ja Ihre Gesellschaft ist, er ist aber ausgebucht. In den nächsten drei Tagen ist alles ausgebucht. Was wollen Sie machen?«
    Ich bin mir nicht sicher, was Kapitalismus wider Willen , auch Sozialismus oder Sozialdemokratismus genannt, genau bedeutet. Sicher bin ich mir jedoch, daß ich die Lektion des heutigen Tages nunmehr beenden muß. Wie zufällig lasse ich jenem hilfsbereiten Herrn meinen Presseausweis vor der Nase baumeln, so daß er ihn schwerlich übersehen kann.
    »Ein Ticket hätte ich noch«, sagt er streng. »Aber nur eins! Für den Flug morgen früh. Ohne Aufpreis. Nur dieses eine. Wollen Sie’s? Mehr als dieses eine kann ich Ihnen nicht geben!«
    Ja. Eigentlich wollte ich meinen ganzen Harem mitnehmen, aber ich begnüge mich mit diesem einen Ticket.
    In der Innenstadt von Rom finde ich nahe der amerikanischen Botschaft ein Vier-Sterne-Hotel für ungefähr ein Drittel des Preises, den das Zwei-Sterne-Hotel am Flughafen kosten sollte. Hat wohl mit Sozialismus zu tun. Das Hotel hat Charme und ist ganz wunderbar. Mein einziges Problem ist, daß mir meine Koffer fehlen. In der Kleidung, die ich auf dem Leib trage, habe ich schon geschlafen. Und bin ich eine Menge rumgelaufen. Kurz gesagt, sie müffelt. Ich drehe den Wasserhahn auf und weiche sämtliche Klamotten, die ich anhabe, imWaschbecken ein. Ich fühle mich großartig: Ich habe das Schicksal überlistet! Mein jüdisches Erbe hat die Oberhand behalten. In diesem Augenblick klingelt mein Handy. Alvaro ist dran, ein italienischer Journalist.
    »Wie wäre es, wenn ich mit meinem Motorrad vorbeikomme, und wir machen eine Spritztour durchs nächtliche Rom?«
    Ich werfe einen Blick auf meine eingeweichte Kleidung, einen anderen auf mein Handy und entscheide blitzschnell. »Ich bin dabei.«
    Die erste Nacht meiner Deutschlandreise werde ich nicht nackt in einem Hotelzimmer in Rom verbringen. Lieber auf einem Motorrad. Soll der Wind meine Klamotten trocknen!
    Alvaro ist ein dicker Mann. Ich bin ein dicker Mann. Sein Motorrad aber ist stärker als Mussolini und trägt uns durch Rom wie ein Ameisenpärchen.
    Während er seinen Feuerstuhl mit diesem nassen Mann durch die Nacht steuert, erzählt mir Alvaro, daß er, ja er das letzte Interview mit Israels starkem Mann Ariel »Arik« Scharon geführt hatte, bevor Herr Scharon von der Bildfläche verschwand. Und dann sagt er: »Was ist bloß mit den Juden los? Sie haben sich total verändert!«
    Wie man weiß, waren die Juden einmal die Guten. Heute sind sie die Bösen.
    Langsam dämmert es mir: Ich bin nicht in Amerika. Das ist so klar wie die römische Nacht. Seit 30 Jahren lebe ich in New York und habe so etwas noch nie gehört. Nein. Alvaro ist kein Judenhasser. Im Gegenteil, er mag die Juden. Irgendwie. Nachdem er mir den Vatikan gezeigt hat, nimmt er mich auf eine Tour zu den »ältesten Juden« mit. In Rom, verrät er mir, gibt es die ursprünglichsten Juden überhaupt. »Soll ich dich zu dem authentischsten jüdischen Restaurant bringen?«
    Ja, sage ich. Ich würde mich gerne mit meinen nassen Sachen etwas aufwärmen.
    Ich schaue mir die Karte an: Reiche Auswahl an Schinken. Reiche Auswahl an Muscheln.
    Meint Alvaro das ernst? Oder ist er durchgeknallt?
    Oder bin ich es vielleicht?
    Das hier ist ein anderer Kontinent. Definitiv. Wer weiß, was mich erst in Deutschland erwartet. Wenn es schon so anfängt, weiß der Himmel, wo es enden mag.
    Alvaro ist ein liebenswürdiger Mann. Und ein Intellektueller noch dazu. Er kennt sich mit Geschichte und Philosophie so gut aus wie ich mich mit Cola light. Und auch ich habe nicht umsonst 15 Jahre an diversen Universitäten verbracht und weiß das eine oder andere. Aber wenn er über Juden spricht, verstehe ich kein Wort. Ich habe keinen Schimmer, was er da verzapft. Nicht nur über Juden, sondern auch über Amerika. Er hat, durch eigene Recherchen, herausgefunden, daß niemand anderes als die amerikanische Regierung die Twin Towers in Schutt und Asche gelegt hat. Ja, im Ernst. Eine Stunde lang erklärt er mir mit Feuereifer und bis ins kleinste Detail, wie die Amerikaner das angestellt haben und warum. Alvaro hat alle Infos. Er macht mich sprachlos. Der Mann ist entweder ein Schwachkopf oder ein Genie. Man bräuchte wohl eine ganze Armee
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