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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Autoren: Tuvia Tenenbom
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und warten«, antwortet er.
    Und wie lange?
    »Drei Tage«, läßt er mich in makellosem Englisch wissen. Wenn ich möchte, kann ich auch dort schlafen, wo er die Nächte verbringt.
    Und das wäre wo?
    »Direkt hier, auf dem Boden. Hab schon ein Weilchen keine Dusche mehr gesehen, aber das Leben ist schön.« Seine Freundin ist bei ihm.
    Wo genau?
    »Irgendwo hier«, sagt er, deutet auf die Millionen und macht sich davon.
    Da fällt mir inmitten dieses Chaos ein unscheinbarer kleiner Zettel auf, der an einer Schnur über etwas Schalterähnlichem hängt und von Hand mit dem Wort »Budapest« beschriftet ist. Dorthin muß ich mich wohl wenden. Bei näherer Betrachtung erweist sich die Chinesische Mauer nämlich als eine Ansammlung vieler verschiedener Schlangen. Ich stelle mich in meiner an. Ein Italiener verrät mir, daß der Flughafen von Budapest geschlossen ist, am Abend aber wieder geöffnet wird. Er wird einen Platz in einem Abendflug bekommen, vertraut er mir an, weil er Leute kennt. »Kennen Sie auch Leute?« fragt er mich.
    Von was für Leuten redet er?
    »Aus der Branche.«
    Wenn’s sonst nichts ist. Der Leiter des Budapester Flughafens ist mein Zwillingsbruder, nur weiß er das dummerweise noch nicht. Ob mein neuer italienischer Freund wohl so freundlich wäre, diese Info an seine Ansprechpartner in der Luftfahrtindustrie weiterzuleiten? »Das wird Sie eine Stange kosten«, sagt er mir.
    Mit dem Handy in der Hand entfernt sich mein neuer Berater, ruft hier an, ruft dort an. Er muß nicht Schlange stehen. Ich schon.
    Rom ist europäisch, kommt mir in den Sinn. Womöglich sozialistisch, auf die eine oder andere Weise. Vielleicht sind sie hier ebenfalls Kapitalisten wider Willen. Wie die Deutschen. Also, tröste ich mich, kann ich hier immerhin etwas über die Wege der Widerwilligen lernen. Wie sie es machen. Eigentlich ein Glücksfall, rede ich mir zu, daß ich hier mitten in China gestrandet bin. Ich schaue mir die Leute um mich herum etwas näher an. Etliche Amerikaner stehen in meiner Schlange. Und alle sitzen sie im heiligen Rom fest.
    Die Stunden verstreichen, und ich nähere mich dem kleinen Zettel über dem Behelfsschalter, an dem ein italienischer Ticketverkäufer sitzt und die Massen abfertigt. Der Mann nimmt Kreditkarten entgegen und stellt neue Flugtickets aus. Die Leute hier haben wohlgemerkt schon für ihre Flüge bezahlt. Diese Flüge sind aber gestrichen, so daß man die Wahl hat, entweder mit dem Zigeuner und seiner Freundin hierzubleiben und zu warten, bis die gebuchten Fluglinien den Betrieb wiederaufnehmen, oder seine Dollars beziehungsweiseEuros für alle möglichen Kombinationen von Flügen mit anderen Gesellschaften lockerzumachen. Rom ist demokratisch. Man hat die freie Wahl.
    Nach einer Ewigkeit bin ich an der Reihe. Der italienische Angestellte läßt mich wissen, daß meine Linie nicht fliegt, eine andere aber sehr wohl, und er mir für zusätzliche 500 Euro gerne einen Platz suchen wird. Heute abend. Falls noch welche frei sind, was er erst prüfen muß. Wenn nicht, kann ich auch erst mal in Rom bleiben; ein Zwei-Sterne-Hotel in der Nähe des Flughafens kostet 300 Euro die Nacht. Oh, er hat einen Platz gefunden. »Für heute abend. 500 Euro, bitte. Der Platz ist jetzt verfügbar.« Großartig, der Flughafen von Budapest ist geöffnet! »Im Moment«, sagt er.
    Wie meint er das?
    »Der Flughafen ist jetzt geöffnet, Tickets kosten 500 Euro für den Abendflug, schließt jedoch der Flughafen von neuem, dann kommen Sie morgen wieder, und wir verhandeln über einen neuen Flug.«
    Ist der dann umsonst?
    Nein! »Er kostet dann noch mal 500 Euro.«
    Noch mal 500 Euro?
    »Ja.« Dieser Ticketverkäufer nimmt bloß Geld, er gibt einem keins zurück. So sind die Regeln. »Hier kaufen Sie Tickets«, erklärt er mir. »Wenn ich Ihnen ein Ticket verkaufe und der Flug nicht stattfindet, dann wenden Sie sich an die Fluggesellschaft und reklamieren dort. Nicht bei mir. Haben Sie Gepäck? Wollen Sie es mitnehmen? Das kostet extra. Zehn Euro pro Kilo. Wie viele Kilo haben Sie?«
    Nun, ich bin hier in Europa und passe mich wohl besser an. Auch wenn es ins Geld geht. Mit meinen Koffern komme ich auf satte 1000 Euro. Für einen Flug, den ich bereits bezahlt habe.
    Dieser Ticketverkäufer hat genug von mir, das sehe ich ihm an der Nasenspitze an. Er hat nun wirklich Besseres zu tun, als seine Zeit mit New Yorker Kapitalisten zu verplempern. »Falls Sie nicht täglich 500 Euro zahlen wollen«, teilt
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