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Allawa

Allawa

Titel: Allawa
Autoren: Unknown
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Halsband, schubste ermunternd, nein, keinen Schritt mehr, genug. Ich, wütend, stellte mich rittlings über ihn (das stand nicht im Buch), schrie: »Auf, auf! Geh, geh !« — alles ganz falsch, aber es war mir jetzt gleichgültig — und drängte mit den Knien Schulter um Schulter weiter. Das halbe Rechteck legten wir so zurück, er immer wieder zusammenklappend, ich hochziehend, er nach hinten stemmend, ich nach vorn. Ein Wildwestrodeo in der Winternacht. Als er sich fügte, ging ich neben ihm noch zweimal um den Teich, frei bei Fuß durch den braun zertrampelten Schnee. »So ist braav «, keuchte ich zum Schluß, und er umwimmelte mich, nahm nichts übel.
    In den Frühlingsferien machte er weitere Fortschritte, ein Musterschüler von sechs Monaten. Zufällig fand ich heraus, daß er am besten gehorchte, wenn ich flüsterte; ich fragte mich, ob es deshalb war, weil er dann gespitzt aufpaßte , um mich zu hören, oder eher, weil ich selbst mich dafür sammeln mußte. »Konzentriert euch«, sagte der Mathematiklehrer immer. Manchmal gelang mir das beim Kopfrechnen, und dasselbe schöne Gefühl hatte ich beim flüsternden Befehlen — er vielleicht auch, durch mich?
    Einmal fiel mir auf, wie sein Auge rasch meiner Hand folgte, obwohl er eigentlich mein Gesicht ansah. Komisch, ja, ich bewege bei jedem Befehl die Hand. Würde er auch ohne Worte verstehen? Der erste Versuch gelang. Schwierig war nur, mich an alle Bewegungen zu erinnern, die ich bisher gemacht hatte. Wie der berühmte Tausendfüßler, den man fragte, mit welchem Bein zuerst.
    Also: mit ziemlich gestrecktem Arm zwei Finger nach unten kippend für »Sitz«.
    Ein Finger vor meine Füße deutend für »Platz«.
    Handfläche nach oben, munter aufwärts winkend (wie kürzlich der Dirigent, als das Orchester aufstehen sollte) für »Auf«.
    Ganze Hand gespreizt die Luft zurückschiebend, mehrmals, für »Bleib«.
    Rechte Hand kräftig auffordernd, wie um Frieden zu schließen, für »linke Pfote«.
    Linke Hand ebenso, sehr von links, für »rechte Pfote«.
    Mein Jubel machte ihm große Freude; ich hätte ihn gern vierhändig beklopft und genudelt.
    Im Haus brachte ich ihm noch bei, mir beide Pfoten in beide Hände zu geben. Seinerseits erfand er, die zweite Pfote gleich auf die erste zu legen, sobald er den festeren Druck meiner Hand spürte, der ihn stützen sollte.
    Am Abend machten wir das ganze stumme Programm meiner Mutter und ihrer Kusine vor und ließen uns bewundern. Noch Stunden später brodelte ich vor Stolz.
    » Pimi ist ein Wunderhund .«
    »Ja, ja, aber jetzt Licht aus, du kannst ja an ihn denken, bis du einschläfst .«
    »Er hat so ein schönes goldenes Pelztrikot .«

    Nach Ostern fing die Schule wieder an. Primus ging unterdessen stundenlang spazieren und entwickelte solche Muskeln, daß seine Oberarme wie Puffärmel aussahen. »Er zieht furchtbar«, sagte mein Vater. Manchmal brachen die beiden morgens gleichzeitig mit mir auf; mein Vater schlang sich die Leine um den Arm, und Primus spannte alle Kraft an. Ich zeichnete einen elefantengroßen Boxer an einer Leine, die unten von einem Männchen gehalten wurde, Titel »Vater führt den Hund aus«. Wir lachten.
    Bei Tisch schilderte mein Vater komisch, wie Primus im Schreibzimmer den größten Klubsessel wähle und sich dort gegen Vorhaltungen würdevoll behaupte, mit strafendem Blick. Ein Schälchen für Fleischabfälle wurde herumgereicht, das bedeutete »Kollekte für die Hundemission«. Primus stand auf und bettelte. »Platz !« sagte ich vergeblich. Er wußte, daß ich nur das Kind war und daß mein Vater ihm etwas geben würde.
    Dann fing er eines unsrer Hühner; ruhig und gründlich rupfte er es zwischen dicken Tatzen, als wir kamen. Er ließ sofort los, es flüchtete mangelhaft bekleidet ins Gehege zurück, während er angewidert die vielen Federn aus dem Maul prustete. Das arme Huhn erholte sich bald; Primus wurde zwar getadelt, aber hinter den Worten schien er mir zu fühlen, daß wir über sein Federgesicht lachten. Damals mit dem Kalbsknochen war er tiefer beeindruckt gewesen — jetzt vor den Eltern hatte ich mich nicht getraut, ihn zu schütteln und eine große Verzeihungsszene aufzuführen. Ach, es war ja nicht so ernst. Ich legte ein Buch, >Die tüchtige Hausfrau<, aufgeschlagen ins Wohnzimmer. »Denk dir, vorhin hat er darin gelesen und gesagt, er müßte die Rupfung eines Huhnes studieren und dann die Abhäutung eines Hasen .«
    »Ihr beide habt lauter Unsinn im Kopf«, sagte
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