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Allawa

Allawa

Titel: Allawa
Autoren: Unknown
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dürfe das alles tun. Und halb war es schön, daß er nur mir richtig folgte.
    Als er einjährig war und ich dreizehn, stürzte er sich mit Tigergebrüll auf einen Grammophonkasten, den meine Eltern gekauft hatten. Sein Ansturm fuhr uns allen ins Mark, jemand schrie: »Stell es ab !« , was mein Bruder eiligst tat, während ich Primus packte. Mein Vater sagte: »Das geht also auch nicht, am besten gibt man das Grammophon sofort zurück. «
    Bei diesem Satz wurde ich mit einem Ruck älter, wie der Zeiger auf der Bahnhofsuhr weiterspringt. Das war doch ganz verkehrt — Primus hatte uns doch nichts zu verbieten! Ich kam mir frech und lächerlich vor, antwortete aber trotzdem: »Doch, es geht sicher; wenn ihr mich mit ihm allein laßt sicher .«
    »Gut, du kannst es ja versuchen — Nein! Er wird alles kaputt machen !« sagten meine Eltern zweistimmig.
    Es glückte rascher, als ich selbst gedacht hatte: »Primus. (Im Ton von »Konzentriert euch«.) Hör gut zu. Das da ist Grammophon. Gra-mo-fon . (Hand auf dem Kasten.) Und du bist ein lieber braver Hund. Hund. (Festes Tätscheln, nicht weiches Streicheln.) Jetzt mache ich gute Musik. Schön ruhig .«
    So gut ist sie auch wieder nicht, sagte er und legte sich seufzend hin. Damit war alles erledigt. Wir beide riefen die Familie herein wie Erwachsene ihre vor der Weihnachtstür wartenden Kinder. »Ein unergründlicher Knabe«, sagte mein Vater.
    Ich kaufte mir dann von langen Ersparnissen >Auf Flügeln des Gesanges<, Fritz Kreisler geigte das so furchtbar schön. Primus seufzte wieder. Sobald es zu Ende war, legte ich die Platte auf einen Sessel und setzte mich, um ihn vorgebückt zu trösten. Armer braver Pimi , jetzt ist es vorbei. Unter mir knackte es vielfach — das war die Platte gewesen. Und er, der Großherzige, begann seinerseits mich zu trösten.

    Plötzlich behauptete der Hausarzt, daß ich Gelenkrheumatismus hätte. Es war nicht schlimm, im geheimen vermutete ich sogar, daß ich nur von der Schule befreit sein wollte; wie auch immer, ich mußte drei Monate lang zu Hause bleiben.
    Ich las sehr viel, sann in Frieden vor mich hin, alles wäre nach meinem Herzen gewesen, wenn sich Primus nur besser benommen hätte.
    Er überbordete in dieser Zeit. Je ausgiebiger man ihn bewegte, um so wilder wurde er. Mein Vater ging fast nur noch in die weiteste Umgebung der Stadt mit ihm, wo er weniger Hunde anfallen konnte, sondern Reiter, Autos, ja die Eisenbahn verfolgte, Katzen auf den Feldern umbrachte und Eichhörnchen im Wald. Nachdem er unseren eigenen Zwerghahn getötet hatte, war das Maß voll.
    Sein Züchter bot an, ihn eine Weile in die Kur zu nehmen, um ihn wenigstens geflügelfromm zu machen; für Katzen wäre es zu spät, für die Rauflust auch, denn die habe ihm sein Vater vererbt, mehrere aus der Familie wären deshalb abgetan worden.
    Die Welt spaltete sich. Dort Pimi , mein Freund, mein Traumhund, hier der Satz aus dem >Kosmos<, der mir wie fettgedruckt einfiel: »im Ernst äußerst scharf« - und die Worte »abgetan«, Pimis Großvater »in einem fremden Haus, wo er einbrach, erschlagen worden...«
    Also war es falsch gewesen, daß ich damals beim Kauf meinte, ich brauchte nichts über ihn zu wissen, nur die Stunden zu zählen? Hätte man viele Fragen stellen sollen? Vielleicht etwas ahnen können, weil er abseits von den andern saß? Und — unmögliche Vorstellung — ihn daraufhin nicht kaufen? Dann wäre der ganze Primus nicht da, das ist ja wie Hokuspokus, weg, Luft, dabei sitzen wir beide deutlich nebeneinander.
    Gut, soll ihn der Züchter in eine Geflügelkur nehmen, das übrige ist alles nicht wahr. Er braucht nicht wie sein Vater und Großvater zu werden. Ich mache doch auch schon vieles ganz anders als die Eltern, als der Großvater, und wenn ich groß bin noch gänzer anders. Cid ist schuld und meine blöde Schule und mein Hausarrest, nicht was er geerbt haben soll.

    Bittere Trennungszeit. Der Züchter schrieb, daß Primus die drei ersten Tage nichts gefressen habe, aber jetzt sei er eingewöhnt und folge sehr gut. Die Hühner lasse er in Ruhe.
    Uns allen wurde ganz elend. Primus, der Rekordesser! Und ebenso herzzerbrechend war seine Artigkeit. Entweder habe er solches Heimweh, daß er Untaten in der Fremde nicht lohnend finde, oder er sei wirklich in sich gegangen, sagte mein Vater.
    Nach drei Monaten wieder ein Brief: länger könne Primus nicht bleiben, da auf die Dauer dort zu wenig Platz sei; er folge tadellos, und falls meine Eltern ihn
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