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Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman

Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman

Titel: Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
Autoren: Maggy Sehl
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1. Kapitel - Aprilregenpfützen
     
    Meine Geschichte begann an einem typischen Apriltag, so klassisch, wie es der hundertjährige Bauernkalender versprach. Durch das Gezwitscher der Vögel angespornt, versuchte die Sonne ein paar Strahlen auf die Erde zu senden, doch dann verschwand selbst das winzige Blau, welches sich zwischen die dicken Wolken gemogelt hatte. Richtete Mensch seine Blicke nach oben, erntete das müde Auge einzig ein dunkles, zermürbendes Grau.
    „So gefällt mir der Frühling, so ein rechter trüber Apriltag“, höhnte meine Tante Leonore, die wie immer keinen Hehl daraus machte, dass sie zu einer eher sinisteren Grundeinstellung neigte und sich am wohlsten fühlte, wenn die Natur ihre Gesinnung teilte. Ich schaute aus dem Fenster und starrte auf Regenschirme in Schwarz und Grün mit roten Punkten, auf Kutten und durchsichtige Regendamenmäntel über Kostümen, die alle, in energischer Geschwindigkeit über kleine Pfützen hüpfend, dem einige Straßen entfernten Gerichtsgebäude zusteuerten.
    „Ja, ja, so ein richtig düsteres Wetterchen, das macht mir doch gleich gute Laune“, dozierte meine Tante. Onkel Archibald dagegen glaubte noch immer, dass seine Angetraute in ihrem Innern noch genau das gleiche lichte und sinnfrohe Geschöpf war, welches er geheiratet hatte, und nicht jene etwas herrische, in ein viel zu enges Tweedkostüm gekleidete Anwältin, die jeden Internatsschüler das Grauen gelehrt hätte. Sollte er ruhig diesen Glauben an seine Liebe beibehalten, ich kannte sie besser. Ich arbeitete unter ihr.
    Trotz all der frohgemuten Aussagen zum Wetter merkte ich doch, wie Tantchens Laune nicht ganz ihrer eben gemachten Äußerung entsprach. Sie war ein wenig missmutig gestimmt. Zum einen, weil Onkel Archibald, ihr sich im Ruhestand befindlicher Ehemann, bereits früh um fünf Uhr (wie rücksichtslos) an seiner Oper schrieb und dies durch diverse Spielversuche am Klavier besonders laut in Szene setzte, zum anderen, weil sie der festen Überzeugung war, dass statt des Schreibens an einer Oper für ihren Gatten der regelmäßige Besuch der Sauna weit angebrachter wäre. Das ginge wenigstens leise vonstatten.
    Onkel Archibald war ehemaliger Musiklehrer der Oberstufe, der seit drei Jahren seinen Ruhestand genoss und sich seit ebenso langer Zeit dem Traum seiner Jugend, nämlich dem Schreiben einer Oper, widmete. Lächerlicher als Figaro, gigantischer als Aida und ergreifender als Madame Butterfly.
    „Mach uns einen Kaffee, mein Mädchen, in zehn Minuten haben wir unseren ersten Termin.“
    Tante Leonore saß an ihrem alten, von Holzwürmern unterwanderten Schreibtisch und verschränkte die Hände vor ihrem eher als mächtig zu beschreibenden Bauch mit Busenzierde. Die Kanzlei meiner Tante, einer Rechtsanwältin mit Ausrichtung auf Verkehrsdelikte, Nachbarschaftsstreitigkeiten und Mietsproblematika, lag in einem alten Haus inmitten Berlins. Nachdem ihre Sekretärin in Schwangerschaftsurlaub („...ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich im Alter meiner Sekretärin ((42)) noch einmal ein Kind hätte haben wollen...“, so Tante Leonore) gegangen war, suchte sie nach einem adäquaten Ersatz und fand ihn in mir. Nicht, dass ich mich darum geschlagen hätte, aber meine Mutter bettelte ihre ältere Schwester wohl so inständig und drückte dermaßen auf die Familienzusammengehörigkeitsdrüse, dass Leonore nicht anders konnte.
    Meine Mutter und Leonore haben einen eher als glühend zu bezeichnenden Draht zueinander. Jedes Mal, wenn sie sich sehen, und sie sehen sich regelmäßig aller drei Monate, kracht es. Die Auseinandersetzungen der beiden drehen sich einzig um Ereignisse aus ihrer Kindheit, welche sie scheinbar noch immer nicht verarbeitet haben. Doch sie lieben sich immerhin so sehr, mir gemeinsam einen befristeten Arbeitsvertrag zu verschaffen.
    Ich habe ihn, ganz ehrlich gestanden, auch dringend gebraucht. Denn neben Tantchens Sohn bin ich das weitere schwarze Schaf der Familie. Victor sollte eigentlich die Praxis seiner Mutter übernehmen, doch in ihm gebar Jackie Chan den Traum von der Leinwand. Mein Vetter hatte sich nach seinem Jurastudium aus dem Staub gemacht, um in Hongkong eine Karriere als Easterndarsteller zu starten. Zehn Jahre Kung Fu müssen doch zu etwas gut gewesen sein. Und ich, ich habe zwar ein abgeschlossenes Studium, doch niemals damit Geld verdienen können. Da geht es Victor schon etwas besser. Sein Status als schwarzes Schaf ändert sich langsam ins
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