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Die Einsaetze

Die Einsaetze

Titel: Die Einsaetze
Autoren: Markus Griesheim
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Palmstedt saß mit Gabriela auf den Mauerstümpfen vor dem Pantheon, sie fütterten die
ausgemergelten
und
krätzigen
Katzen,
die
um
ihre
Beine
herum
tänzelten,
mit
fettigen
Pommes-Frites-Stücken. Es ist so lange her, dass diese Erinnerung in seinem Kopf schon fast
verblasst ist. Eine Alte gesellte sich damals zu dem Paar vor den antiken Mauern. Sie nannte
Gabriela die Namen der sich gleich mit huschenden Katzenbuckeln an der Alten Beine
reibenden Streunern. Alle hatten sie einen Namen. Derweil mühte sich eine Lehrerin, ihre
Kinderhorde für die Führung durch den Bauch des die Menschen heute noch beeindruckenden
Tempelbaus zu beherrschen, doch die Katzen interessierten die Kinder mehr. Viel mehr als
tote, kalte Steine.
    Die alte Frau erzählte in einem Staccato-Italienisch, so dass Palmstedt nicht sehr viel
verstehen konnte. Der Sohn der Alten war auch einer. Ein Streuner. Sie hatte ihn seit Jahren
nicht mehr gesehen. Er ging nach Deutschland. Vielleicht hatte er da eine Familie jetzt. Sie
wusste es nicht. Gabriela übersetzte. Die Alte kam immer, jeden Tag, brachte ihren Lieblingen
die Reste der Fischhändler vom Campo de’ Fiori, wo auch heute noch Köpfe abgeschlagen
werden, die die Händler der wunderlichen Alten in Zeitungspapier einwickelten und
ihr
schenkten.
Die
Henker
der
Medici
warfen
die
Menschenköpfe
in
den
Tiber,
die
wie
Kokosnüsse in den flachen Fluten wiegend bis nach Ostia trieben, und weiter an den Strand
von Latina, das damals noch ein modriger, stinkender Sumpf war. Lange, bevor der Duce
kam, und die Menschen dort ansiedelte. Ein großes Projekt war das. Die Menschen sind
geblieben, Mussolinis Leiche haben sie geschändet.
    Ja, Mussolini hätte auch viel Gutes getan. Die Alten hier wüssten es noch. Sie zeigte mit
dem Finger am ausgestreckten Arm in die Piazza. Aber Gabriela und Palmstedt sahen keine
Alten. Nur Fremde. Vandalen. Touristen. Als die Greisin dann ihre Gaben vor der maunzenden
Meute ausbreitete, entflohen Gabriela und Palmstedt angeekelt von dem Geruch und Anblick
der
stinkenden
Fischköpfe
in
eines
der
damals
noch
Vespa-umknatterten
Straßencafés,
bestellten sich Espresso und Grappa und genossen das turbulente Treiben um sich herum. Ihre
Tage in Rom waren für den jungen Palmstedt unvergleichlich schön. Sie hätten ewig dauern
können, ewig wie Rom, wie roma aeterna. Das Polizeischüler-Austauschseminar und dessen
Referentin
für
Europarecht
waren
der
Anfang
seines
Erwachsenwerdens.
Damals
sah
Palmstedt die Welt mit der Begeisterung des noch nicht Gescheiterten. Seine Männlichkeit
erwachte in Rom für Rom nach Rom und Gabriela schmückte sich mit ihr, wohl wissend, dass
sich seine Jugend nicht auf ihre Jahre anrechnen ließ und ihre Verbindung nicht von Dauer
sein konnte, obgleich sie doch zwölf Jahre überstand.
Wenn Gabriela das fleischgewordene Synonym für Rom war, so war es Katja für Paris. Nur
    Michelle, die pikante Oberstufenschülerin, hatte noch keinen Bezug zu einer Stadt. Sie hätte
aber überall leben können, wo die Stadt jung und die Menschen laut waren. Eine Stadt der
neuen Welt. Miami hätte gut zu Michelle gepasst. Der Sand auf ihrer Haut. Die Hitze der
Nacht auf ihren kleinen festen Brüsten. Miami hätte gut gepasst zu ihren sambatanzenden
langen
Beinen
und
ihrem
wackelnden
runden
Po,
den
das
fröhlich
leuchtende
kurze
Glitzerröckchen kaum bedeckte, das sie nicht nur im Turniertanztraining trug, wenn Palmstedt
sie dort manchmal abholte. Sie trug es oft auch nur für ihn. Für einen heißen, langen Ritt auf
seinem
harten
Schwanz.
An
besonderen
Abenden
zog
sie
auch
gerne
die
Schulmädchenuniform
mit
weißer
Bluse
und
einem
knappen
rot-schwarz-kariertem
Plisseerock an und lasziv an einem Lolli lutschend wieder aus. - Nur für Palmstedt. Nur für
einen private dance an seiner Stange.
    Er wischt sich mit Papiertaschentüchern sauber und zieht seine Boxershorts wieder hoch. Es
dauert nicht lange, bis Palmstedt in dieser Nacht einschläft. Morgen früh will er den Tatort
sehen. Morgen früh soll das Spiel beginnen.
*
    Henk van de Hoogten steckt sich seelig das letzte der drei Butterhörnchen, die er vorhin
noch schnell beim Bäcker auf dem Weg zum Präsidium gekauft hat, in den Mund, bevor er
den Aktenschrank öffnet und seinen Rechner startet. Das erste hat schon das Glöckchen der
Bäckereiladentür nicht mehr läuten hören. Mariellas Vollkornbrotschnitten mit Gurke und
Eischeiben, die sie ihm wieder eingepackt hat, sind natürlich viel gesünder, das weiß
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