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Allawa

Allawa

Titel: Allawa
Autoren: Unknown
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Augenblick stieß er ein hohes Fauchgeschrei gegen den schwarzen Feind aus, der sich rücklings rettete.
    Wir lachten alle. Er war nicht größer als Cid, aber schwerknochig, dickpfotig , ein Tolpatsch in viel zu weitem Fellanzug; es sah komisch aus, wie er da drohte und sein Samtschnäuzchen kräuselte, als hätte er schon gefährliche Zähne. »An Mut fehlt es ihm nicht !« — »Vielversprechend!« — »Nur so weiter !« rief die ganze Familie durcheinander.
    Ich wollte ihn aufheben, aber er schien mit Blei gefüllt zu sein. Drei Monate und schon zu schwer für mich. Auf der Lichtung zwischen vielen Beinstämmen umschlang ich ihn kniend, er wackelte, sah mich weich an und paßte schnell wieder auf, ob sich der Schwarze zu nähern wage.
    Die nächsten Stunden blieb er allein mit mir. Wir spielten, und als ich mich setzte, krabbelte er auf meinen Schoß, kaute an meiner Hand, schlief ein. Ich rührte mich nicht bis zum Abendessen.

    Am nächsten Tag bekam er zum Nachtisch ein rundes Kalbsgelenk, an dem seine Zähne abrutschten. Ich holte ein Beil, um ihm die Arbeit zu erleichtern, aber als ich nach dem Knochen griff, machte er einen wütenden Ausfall gegen mich wie am Tag zuvor gegen Cid. Erst fuhr auch ich erschreckt zurück, dann war ich empört. Wer hatte sich hier wem zu fügen, was stellte er sich vor? Er spürte meine Absicht und knurrte starr über dem Knochen, mit gläsernem Blick.
    Mut brauchte man nicht für so ein böses Löwenbaby, nur Wut, um rasch genug zu sein, und die hatte ich reichlich. Ehe er meine Hand sah, packte sie ihn von hinten im Genick. »Was fällt dir ein! Das bin ich, ich, ich !« Dabei schüttelte ich ihn dreimal auf und ab. »Und du bist mein Hund! Aus!«
    Er kroch bestürzt zur Seite, ich legte den Knochen weg und streckte die Hände aus. »So ist lieb — .« Würde er übelnehmen oder verstehen? Ach nein, nahm nichts übel, gab mir recht, drängte sich an mich, leckte, wackelte. Ich erklärte ihm alles noch einmal ausführlicher. Er wiederholte, daß es ihm leid tue — aber vielleicht jetzt doch den Knochen?
    Von da an war er wirklich mein Hund, abgemacht, Ehrenwort, nie mehr Verwechslungen.

    Sein Ehrenwort galt etwas. Ich konnte mit ihm machen, was ich wollte, ihm meine Kamelhaarmütze aufsetzen, ihm meinen Schal umbinden, auf dem Rücken geknotet, so wie man früher uns angezogen hatte, und ihm jederzeit alles wegnehmen. Seine Augen blickten bolzgerade in die meinen: ergeben trübe, wenn eine Sache ihm mißbehagte , weich glänzend, wenn sein Kopf vor Zärtlichkeit breit und rund wurde, oder mit aufmerksamem, aufrichtigem Ausdruck, dreieckig, wenn ich etwas sagte. Dabei runzelte er die Stirn, diese Falten machten ihm das Verstehen leichter. Er verstand schon viel, das sah man.
    Aber er hatte sehr unter dem schwarzen Teufelchen zu leiden. Nur an dem ersten Tag war er kampflustig gewesen, wohl aus Angst, als er aus der Kiste kam. Jetzt ließ er sich alles gefallen, wurde angeknurrt, gezwickt, vertrieben und dazu durch unser Gelächter verwirrt. Er fraß und wuchs gewaltig, nach zwei Wochen überragte er Cid um Haupteslänge, wenn sie saßen; trotzdem unterwarf er sich dem Älteren fromm, sein Welpenrang gebot es so.
    Ihr Kellerschlafzimmer hatte eine Glastür. Schlich man abends noch einmal dorthin, so thronte Cid meistens im großen Korb, während Primus jämmerlich zusammengedrückt in Cids kleinem Korb saß, überquellend wie ein goldbraunes Souffle in winzigem Förmchen. Wir ließen sie aussteigen, gruppierten sie um, aber morgens war es wieder dasselbe. Einmal hatte Primus sogar eine gespaltene Unterlippe; auf Fragen blieb er stumm, schaute nur treu, mit Duldermiene.
    Vielleicht kam es auch von diesen geheimen Aufregungen, daß er monatelang nachts nicht stubenrein war. Wir tropften Kresol auf die Stellen, wie es im Buch stand. Es bewirkte vor allem Kresolgeruch im ganzen Keller.

    Im übrigen war es leicht, ihn zu erziehen oder zu dressieren, wie ich gerne sagte. Kein Wunder, da er mir ja immer in die Augen sah und seinen Quadratschädel überhaupt gut beisammen hatte. Der Arme ließ jede Nummer der Abrichtungsbroschüre über sich ergehen, meist im dunklen, verschneiten Garten, wenn ich endlich aus der Schule kam.
    Appell an der Dressurleine fand er lächerlich, auf meinen Ruf käme er ohnedies, sagte er. Sitz, Platz, also meinetwegen. An der kurzen Leine »Fuß« um den rechteckigen Teich, gut, auch das. Jetzt »Fuß« ohne Leine: er setzte sich bockig hin. Ich zog am
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