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Allawa

Allawa

Titel: Allawa
Autoren: Unknown
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nun erst recht Blutsbrüderschaft fühlt. Entscheidend ist, wie der Hundestern stand, als man auf die Welt kam. Pferde-, Raubtier-, Hundeleute sind wohl meistens Geschlagene, Gebissene, Gekratzte, Knochengebrochene; das schreckt sie nicht ab.

Die Nervensäge

    Harro starb in meinem zwölften Lebensjahr. Ich stellte seine Fotografie auf meinen Schreibtisch, schmückte sie mit einem gepreßten Edelweiß und betrachtete sie wehmütig beim Aufgabenmachen.
    Ein Mädchen aus einer oberen Klasse fragte mich auf dem Heimweg, was ihm denn gefehlt und wie man ihn getötet habe, aber das wußte ich nicht. Er war verschwunden, als wir aus der Schule kamen, ich hatte auch gehört, daß mein Vater mit bedrückter Stimme davon sprach; das war alles. Ich vergaß danach zu fragen, ich dachte immer nur an meine Sehnsucht nach einem eigenen Hund.
    Meine Eltern vertrösteten mich auf später, wenn ich größer sei. »Später« schien das Sonnenlicht auszuknipsen: nachtschwarze Trauer. Meine Eltern hatten keine Lust mehr auf fertig dressierte Hunde; gut, um so besser, dann ziehe ich einen von klein auf auf . Dazu bist du selber noch zu klein.
    Ich kaufte mit dem Taschengeld von zwei Monaten eine dünne Broschüre über >Aufzucht und Abrichtung des Hundes< und fühlte mich zur Dressur berufen. Nein, später.
    »Später bin ich Tierärztin, da habe ich keine Zeit mehr .«
    »Das Tierarztstudium eignet sich nicht für Mädchen. Pferde und Kühe gehören ja auch dazu, das ist viel zu harte Arbeit .«
    Die Zertrümmerung meiner Zukunft traf mich tief, wozu dann noch das Gymnasium. Nur abends im Dunkeln wurde mir wohler. Das kalte Bett war mein Zelt in der Arktis, rings um mich schliefen zusammengerollt die Schlittenhunde, mit denen ich meinen letzten Vorrat Pemmikan geteilt hatte. Alle Expeditionsteilnehmer waren schon erfroren, nur ich kam dank den treuen Hunden durch. Nein, das ist kindisch, ich will mir alles so ausdenken, wie es in Wirklichkeit ist. Also ich wurde Hundedresseur, baute große Zwinger. Zehn Minuten Dressur pro Hund pro Tag; wenn ich früh aufstehe, kann ich von sechs bis zwölf sechsmal sechs, macht sechsunddreißig Hunde dressieren, und von zwei bis sieben Uhr wieder, macht sechsunddreißig plus... plus... ach, ich muß es mir morgen ausrechnen, die Hunde wimmeln jetzt so.
    Mein Vater kaufte einem Händler zuliebe einen Zwergschnauzer und schenkte ihn meiner Mutter. Er kam glänzend schwarz an, erst nach Tagen trat ein weißer Brustfleck heraus und der Schnurrbart wurde rötlich. Wir liebten ihn alle nicht, er hatte ein Vogelhirn, tanzte auf zwei Beinen, kläffte, machte Unruhe. Ich möchte einen großen Hund —

    Im gebundenen Jahrgang 1914 der Zeitschrift >Kosmos< hörte jeder Monat mit der Beschreibung einer Hunderasse auf. Zuhinterst, Dezember, sprang mir das Bild des Leonbergers in die Augen. Herrlich. Königlich. »Eigenschaften: Hohe Intelligenz, Treue, Tapferkeit, Ausdauer, Entschlossenheit, gegen schwächere Hunde großmütig.« Der mußte es sein. »Farbe: Hellgelb, rotgelb, mit oder ohne schwarze Maske.« Neben mir schritt der rotgelbe mit schwarzer Maske. Ein strahlend helles Leben begann.
    »Aber hör mal, da ist ja das Maß angegeben, offenbar hat er 1,20 Kopfhöhe, 95 Zentimeter Schulterhöhe. Das geht auf keinen Fall. Ja, wenn wir nicht in die Stadt gezogen wären, dann vielleicht...«
    Der Hinweis auf die Größe klang aussichtsreicher als alles bisher Gesagte. Wenn es nur daran lag... Ich reagierte diesmal nicht zerschmettert, sondern munter auf das Zweitbeste gerichtet, und durchsuchte den >Kosmos< nach etwas kleineren Hunden. Der Spitz war zu spitz, Windhund zu windig, Neufundländer, Bernhardiner wieder zu groß. Eine unter den zwölf Rassen hieß Boxer. Boxer?
    »Eigenschaften: Treu und mutig... Sein Charakter ist freundlich und bieder, ohne Falschheit, auch im Alter .« Also ein Freund bis zum Ende, nie falsch, auch wenn ich so alt würde wie mein Urgroßvater. Weiter stand da: »Farbe gelb in verschiedenen Abtönungen, mit schwarzer Maske .« Genau wie ein Leonberger! Genau was ich wollte! Und nur 55 Zentimeter Schulterhöhe.
    Sein Bild wurde täglich lebendiger, schnaufte, drehte den Profilkopf zu mir, wedelte. Was für ein gutes, zuverlässiges Gesicht. Das Buch schlug sich schon von selbst an der Stelle auf; ich schlürfte zum hundertsten-mal den Text ein, den ich längst auswendig konnte: »Das dunkle Auge mit gutmütigem, aber energischem Ausdruck... Breite, schwarze Nasenkuppe...« Der
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