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Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt
Autoren: Agatha Christie
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Einleitung
     
    Die Autorin spricht:
    Die erste Frage, die einem immer gestellt wird, entweder persönlich oder schriftlich, ist:
    «Woher bekommen Sie Ihre Einfälle?»
    Die Versuchung ist groß zu antworten: «Ich gehe immer zu Harrods» oder «Ich bekomme sie meistens von den Army & Navy Stores.» Oder schnippisch: «Versuchen Sie es mal bei Marks & Spencer.»
    Die allgemein verbreitete Meinung scheint zu sein, dass es irgendwo einen Zauberbrunnen mit Einfällen gibt, den die Schriftsteller anzapfen können.
    Man kann seinen Interviewpartner auch kaum in die Zeit von Elisabeth der I. zurückverweisen mit dem Shakespeare-Vers:
     
    Sag mir, wo wächst Fantasie?
    Sitzt im Herz, im Kopfe sie?
    Wie wurde sie genähret?
    Sag an, sag an …
     
    Also sagt man nur entschieden: Ich habe sie im Kopf.
    Das bringt natürlich niemanden weiter. Wenn man den Interviewer sympathisch findet, gibt man nach und wird ein bisschen ausführlicher.
    «Wenn ein spezieller Einfall attraktiv erscheint und man hat das Gefühl, man könnte etwas damit anfangen, schiebt man ihn hin und her, macht ein paar Kunststückchen damit, baut ihn aus, spielt ihn wieder herunter und bekommt ihn so nach und nach in Form. Dann muss man natürlich anfangen, alles niederzuschreiben. Das ist bei weitem nicht so lustig – sondern harte Arbeit. Alternativ kann man ihn beiseitelegen, auf Lager, zur Verwendung in vielleicht ein oder zwei Jahren.»
    Die zweite Frage lautet dann meist:
    «Nehmen Sie Ihre Charaktere alle aus dem richtigen Leben?»
    Darauf folgt dann eine empörte Ablehnung dieser monströsen Behauptung.
    «Nein, das tue ich nicht. Ich erfinde sie. Sie gehören mir. Es müssen meine Charaktere sein – die tun, was ich will, die sein müssen, wie ich sie mir wünsche – für mich zum Leben erwachen, manchmal mit ihren eigenen Vorstellungen, aber nur weil ich sie habe real werden lassen.»
    Also, man hat seine Ideen entwickelt, auch die Charaktere – jetzt aber kommt die dritte Anforderung – der Schauplatz. Die ersten beiden Punkte kommen aus inneren Quellen, aber der dritte liegt außerhalb – er muss dort sein – und warten – schon existieren. Das erfindet man nicht – es ist vorhanden – es ist wirklich.
    Man hat vielleicht schon einmal eine Nilkreuzfahrt gemacht – man erinnert sich an alles – genau der Schauplatz, den man sich für diese bestimmte Geschichte vorstellt. Man hat irgendwo in Chelsea gegessen. Es gab einen Streit – ein junges Mädchen hat einem anderen ein Büschel Haare ausgerissen. Ein wunderbarer Anfang für das Buch, das man als Nächstes schreiben möchte. Man reist mit dem Orientexpress. Was für ein Spaß, ihn zum Schauplatz der Handlung zu machen, die man bereits im Sinn hat. Man geht zum Tee bei einer Freundin. Bei der Ankunft klappt ihr Bruder das Buch, das er gerade liest, zu – legt es beiseite und sagt: «Nicht schlecht, aber um Himmels willen, warum haben sie Evans nicht gefragt?» Also beschließt man sofort, dass das Buch, das man in Kürze zu schreiben gedenkt, den Titel tragen soll «Warum haben sie Evans nicht gefragt?»
    Man weiß noch nicht, wer Evans sein wird. Doch das macht nichts. Evans wird schon auftauchen – der Titel steht auf jeden Fall.
    So erfindet man seine Schauplätze nicht im eigentlichen Sinne. Sie liegen außerhalb, rundherum, existieren bereits, man muss nur die Hand ausstrecken und sich etwas aussuchen. Einen Zug, ein Krankenhaus, ein Hotel in London, einen Strand in der Karibik, ein Dorf auf dem Lande, eine Cocktailparty, eine Mädchenschule.
    Es gibt nur eine Bedingung – sie müssen vorhanden sein – bereits existieren. Wirkliche Menschen, reale Orte. Ein bestimmter Punkt in Zeit und Raum. Wenn der im Hier und Heute liegt – wie bekommt man dann die volle Information – neben dem, was man mit eigenen Augen und Ohren wahrgenommen hat? Die Antwort ist beängstigend einfach.
    Die Presse bringt es jeden Tag, serviert in der Morgenzeitung unter der allgemeinen Schlagzeile «Nachrichten». Man entnimmt alles der Titelseite. Was ist heute los auf der Welt? Was sagt, denkt, tut alle Welt? Man muss nur einen Spiegel für das Jahr 1970 in England vor die Zeitung halten.
    Man sieht sich diese Titelseite einen Monat lang jeden Tag an, macht Notizen, ordnet und sortiert.
    Jeden Tag gibt es ein Tötungsdelikt.
    Ein Mädchen wurde erwürgt.
    Eine alte Frau wurde überfallen und ihrer mageren Ersparnisse beraubt.
    Junge Männer oder Jungs – sie attackieren oder werden
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