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Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt
Autoren: Agatha Christie
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attackiert.
    Gebäude und Telefonhäuschen wurden zerschlagen und sind ausgebrannt.
    Drogenschmuggel.
    Raub und Überfälle.
    Vermisste Kinder und die Leichen ermordeter Kinder, aufgefunden nicht weit von ihrem Elternhaus.
    Soll das England sein? Ist England wirklich so?
    Man hat das Gefühl – nein – noch nicht, aber es könnte so sein.
    Angst kommt auf – Angst vor dem, was sein könnte. Nicht so sehr wegen der tatsächlichen Ereignisse, sondern wegen der Ursachen, die dahinterstecken könnten. Manche kennt man, manche sind unbekannt, aber man fühlt sie. Und nicht nur in England ist das der Fall. Es gibt kleinere Artikel, auf anderen Seiten der Zeitung – mit Nachrichten aus Europa – aus Asien, aus Amerika – weltweite Nachrichten.
    Flugzeugentführungen.
    Entführungen.
    Gewalt.
    Aufstände.
    Hass.
    Anarchie – und all das nimmt ständig zu.
    Alles scheint zu einem Kult der Zerstörung hinzuführen, auf die Lust an der Grausamkeit.
    Was hat das alles zu bedeuten? Eine Shakespeare-Zeile schickt ihr Echo aus der Vergangenheit, sie sagt vom Leben:
    … ein Märchen ist ’ s,
    Erzählt von einem Blödling, voller Klang und Wut,
    Das nichts bedeutet.
    Und doch weiß man – aus eigener Erfahrung –, wie viel Güte es noch auf dieser unserer Welt gibt, wie viel Freundlichkeit, wie viel Herzensgüte, Akte des Mitleids, Nachbarschaftshilfe, die Hilfe, die Jungen und Mädchen leisten.
    Warum dann diese fürchterliche Stimmung in den Tagesnachrichten – von Dingen, die sich ereignen – die reale Fakten sind?
    Um im Jahr 1970 eine Geschichte zu schreiben, muss man sich mit dem Hintergrund arrangieren. Wenn die Geschichte fantastisch, unwahrscheinlich ist, muss man sich mit ihrem Hintergrund abfinden. Sie muss selbst eine Fantasie sein – eine fantastische Dichtung, eine Extravaganz. Der Schauplatz muss die fantastischen, unwahrscheinlichen Fakten des täglichen Lebens enthalten.
    Kann man sich eine Fantasie-Bewegung vorstellen? Eine heimliche Machtkampagne? Kann die manische Sucht nach Zerstörung eine neue Welt schaffen? Kann man noch einen Schritt weiter gehen und die Erlösung andeuten, eine Erlösung durch unwahrscheinlich und unmöglich scheinende Mittel?
    Nichts ist unmöglich, das hat die Wissenschaft uns gelehrt.
    Diese Geschichte ist im Kern eine Fantasie. Sie gibt nicht vor, etwas anderes zu sein.
    Aber die meisten Ereignisse, die darin vorkommen, geschehen oder deuten sich in der Welt von heute an.
    Es ist keine unmögliche Geschichte – nur eine fantastische.

 
     
     
     
     
    1. Buch
     
    Reiseunterbrechung

Kapitel 1

Passagier nach Frankfurt
    I
     
    « B itte anschnallen.» Die Passagiere im Flugzeug leisteten nur zögernd Folge. Es herrschte allgemein der Eindruck, dass sie unmöglich schon in Genf ankommen könnten. Die Schläfrigen stöhnten und gähnten. Die noch Benommeneren mussten sanft von einer gebieterischen Stewardess geweckt werden. «Ihre Sitzgurte, bitte.» Die trockene Stimme kam herrisch über den Lautsprecher. Sie erklärte auf Deutsch, Französisch und Englisch, dass eine kurze Schlechtwetterstrecke durchzustehen sei. Sir Stafford Nye öffnete den Mund so weit wie möglich, gähnte und setzte sich aufrecht in seinen Sitz. Er hatte gerade selig vom Angeln in einem englischen Fluss geträumt. Ein Mann von 45 Jahren, mittelgroß, mit ebenmäßigem olivenfarbenen, glattrasierten Gesicht. Seine Kleidung tendierte eher zum Bizarren. Als Mann aus bester Familie kultivierte er ganz souverän solche Launen in seiner Bekleidung. Wenn dies seine konventioneller gekleideten Kollegen gelegentlich zusammenzucken ließ, so war das nur ein Quell boshafter Belustigung für ihn. Er hatte etwas von einem Dandy aus dem 18. Jahrhundert. Er genoss es aufzufallen.
    Seine bevorzugte Reisekleidung war eine Art Räuberumhang, den er einmal auf Korsika gekauft hatte. Er war von einem besonders dunklen Lila-Blau, hatte ein scharlachrotes Futter und besaß eine burnusartige Kapuze, die er nach Belieben über den Kopf ziehen konnte, um sich vor Zugluft zu schützen.
    In diplomatischen Kreisen galt Sir Stafford Nye als Enttäuschung. Von Jugend an aufgrund seiner Begabungen für Großes bestimmt, hatte er, was die Erfüllung der Erwartungen betraf, eklatant versagt. Ein eigenwilliger Sinn für schwarzen Humor pflegte ihn ausgerechnet in den entscheidenden ernsten Momenten zu überfallen. Im Zweifelsfall zog er es vor, seinem seltsamen Humor zu frönen statt sich zu langweilen. Er war eine bekannte
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