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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Kerstin Michelsen
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auf und kurz umrahmte der Lichtschein die Silhouette einer Frau. Ein Nichts von einem Rock, Stiefel, die über die Knie gingen. Mit ihr quollen die Fetzen eines uralten Schlagers und eine raue Stimme auf die Straße. Erschrocken drückte ich mich an die Mauer.
    «Verpiss dich, blöde Schlampe !»
    «Lass mich in Ruhe, du Arsch», keifte die Frau zurück, dann fiel die Tür zu . Die Schritte der Frau entfernten sich. Klack, klack, sie stöckelte mit unsicheren Schritten davon.
    Ich setzte mich ebenfalls in Bewegung, dabei blieb ich nahe an der Mauer. Warum ging ich ihr nach? War es der Wunsch, in dieser finsteren Gegend nicht ganz allein zu sein, nachdem ich Laurean aus den Augen verloren hatte? Auch wenn es nur eine augenscheinlich angetrunkene Prostituierte war, der ich folgte?
    Sie bog um eine Ecke, klack, klack, dann war es plötzlich still. Es dauerte einen Moment, ehe mir bewusst wurde, dass das Echo der Absätze verstummt war. Ich blieb stehen, hielt den Atem an und lauschte angestrengt. War sie, wie ich, vielleicht stehengeblieben und lauschte ängstlich in die Dunkelheit?
    Als ich kurz darauf den ersten Schrei hörte, lief ich seltsamerweise nicht davon. Stattdessen setzte ich mich wieder in Bewegung, wie aufgezogen. Ich verspürte keine Angst, stattdessen folgte ich einfach dem Geräusch, das in ein leises Wimmern übergegangen war. Ich gelangte an das Ende der Mauer. Die Frau war nicht, wie ich vermutet hatte, um eine Ecke gebogen, hier stand ein Tor offen. Nun vernahm ich ein schmatzendes, saugendes Geräusch, das nicht menschlich klang. Ich trat lautlos in die Toreinfahrt. Noch ein Schritt und noch einer. Ein metallischer Geruch lag in der Luft. Ich sog ihn zusammen mit der klaren Nachtluft ein.
    In diesem Moment wischte der Wind am Himmel eine Wolke zur Seite und das Mondlicht fiel genau auf Laurean, der am Boden kniete und sich über die fremde Frau beugte. Von ihr sah ich nur die Beine, ich wusste aber sogleich, dass sie es war. Diese Stiefel. Sie zuckten.
    « Laurean», flüsterte ich und erstarrte, als er sich umwandte. Sein schönes Gesicht war mit Blut besudelt, es troff ihm von den geöffneten Lippen und zeichnete ein feines rotes Muster auf das helle Hemd, das er an diesem Abend trug.
    Laureans Augen glühten. Er knurrte mich an, doch sonderbarerweise fürchtete ich mich noch immer nicht.
    «Geh», knurrte er . Wie ein böser, tierischer Laut klang das, doch ich schüttelte den Kopf und trat näher. Noch immer schien das Mondlicht auf die Szene, die mir unwirklich, aber eigentlich nicht schlimm erschien. Die fremde Frau war älter, als ich vorhin vermutet hatte. Sie trug aufreizende, billig aussehende Kleider und ihr Blick war leer. Aus einer Wunde am Hals pulsierte das Blut. Angesichts der Tatsache, dass ich bisher nicht einmal hatte hinsehen können, wenn mir beim Arzt Blut abgenommen wurde, konnte ich nicht begreifen, dass ich mich nicht auf der Stelle übergab oder schreiend weglief.
    Ich ließ die Sandalen zu Boden fallen und trat ganz nahe an Laurean heran. Ich legte meine Hand an seine Wange, die nass vom Blut der Frau war, und nickte ihm zu.
    « Du weißt nicht, wer ich bin, Isa. Wenn du mit mir gehst, dann kannst du nicht mehr zurück», sagte er.
    « Ich weiß», antwortete ich, obwohl ich in Wirklichkeit gar nichts begriff. Doch mein Verlangen, bei Laurean zu sein, war stärker als alles andere.
    « Dreh dich um», sagte er, und ich gehorchte. Ich hörte, wie er Worte in einer mir unbekannten Sprache murmelte, und als er dann an mir vorbei auf die Straße trat, folgte ich ihm, ohne mich noch einmal umzusehen.
    W ir durchquerten die halbe Stadt, so kam es mir jedenfalls vor, dabei berührten wir einander nicht, er nahm weder meine Hand noch sah er mich an, und dennoch wurde das Band zwischen uns immer fester, je weiter wir gingen.
    Irgendwann wurden die Häuser weniger und die Bäume mehr, bis wir die Stadt schließlich ganz hinter uns gelassen hatten. Ich konnte nicht sagen, wie lange wir schon liefen, seltsamerweise wurde ich überhaupt nicht müde. Ich folgte ihm wie in Trance. Erst als Laurean unvermittelt stehenblieb, sah ich auf. Vor uns stand ein Gebäude, das düster und majestätisch zugleich wirkte, eine Villa im Jugendstil, die ihre besten Jahre hinter sich hatte. Wir schritten unter hohen Bäumen hindurch. Im Mondlicht wirkten sie auf mich wie übergroße Soldaten, die das Haus bewachten.
    Laurean öffnete eine Eingangstür, die schwer hinter uns ins Schloss fiel, nachdem
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