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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Kerstin Michelsen
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Lenas Polterabend zu begegnen. Einmal hatte ich die beiden zusammen gesehen, eines Nachts in einer Bar. Bevor ich mich unbemerkt davonmachte, hatte ich sie eine Weile beobachtet, und was ich dabei fühlte, hatte bitter geschmeckt wie Galle. Dieses Weib! Blondierte Haare bis zum Hintern, superschlank und dabei mit übergroßen Brüsten ausgestattet, die unmöglich echt sein konnten, dafür aber jeden Moment aus dem knappen Kleidchen herauszuspringen drohten. Goldlamé! Ich konnte es kaum fassen. Wer trug denn so etwas? Aber vermutlich kam es bei diesem Kleidungsstück nicht auf den Stoff an, sondern darauf, wo der Stoff eben nicht war. Mit dieser fleischgewordenen Männerfantasie hatte Max sich bereits seit Monaten heimlich getroffen, als alles durch einen dummen Zufall herausgekommen war. Es war so billig, abgeschmackt und klischeehaft gewesen, dass mir immer noch übel wurde, wenn ich daran dachte.
    Im Vergleich zu so einer Frau fand ich mich selbst ziemlich mittelmäßig: Hübsch zwar, aber nicht überwältigend schön, schlank, aber eben nicht superschlank. Das Haar trug ich mittellang und in meiner Naturfarbe mittelblond, meine Brüste waren straff, aber auch nur mittelgroß, und sie stachen niemandem schon von Weitem ins Auge. Ich war eben mehr der natürliche Typ, hatte ich mich zu trösten versucht, und kein männermordender Vamp. So forsch ich in meinem Beruf auch auftreten konnte, war ich in Wirklichkeit doch nicht frei von Selbstzweifeln. Nun war ich nach Monaten der Verbitterung gerade auf einem guten Weg gewesen, mich selbst wieder einigermaßen attraktiv zu finden. Und nun das!
    Nachdem ich eine Weile wütend auf und ab gelaufen war , wurde ich endlich ruhiger.
    Seit der Trennung von Max war ich mit mehreren Männer n ausgegangen, nicht gleichzeitig natürlich. Ich hatte mich einige Male mehr oder weniger halbherzig verliebt, und mit Patrick war ich bis vor Kurzem sogar fest liiert gewesen, beinahe fünf Monate lang. Wir hatten uns in gegenseitigem Einvernehmen getrennt, als wir beide feststellten, dass es für keinen von uns die große Liebe war, ja, noch nicht einmal die große Leidenschaft.
    Ich hatte geplant, unbegleitet zum Polterabend und der Hochzeit zu erscheinen, und bis vorhin hatte dieser Gedanke mich auch nicht sonderlich gestört. Aber dass ich meinem Ex mit seiner leicht bekleideten Barbie nun allein gegenübertreten sollte, das kam nicht infrage. Ob ich Patrick vielleicht doch noch kurzfristig reaktivieren sollte? Wenn ich nun so tat, als hätte ich ihn vermisst? Ich hatte das Handy bereits gezückt, da fiel mir ein, dass er gar nicht in der Stadt war. Vor ein paar Tagen hatte ich eine E-Mail bekommen, eine Rundmail wohlgemerkt, die außer an mich noch an ungefähr dreihundert andere Leute aus seinem Adressbuch gerichtet gewesen war: Leute, ich bin up and away und für zwei Wochen auf den Malediven . Patrick handelte wie ich mit Devisen, war aber schon einige Jahre länger dabei, und er verdiente außerordentlich gut. Er war es gewohnt, zwischen den Kontinenten hin und her zu jetten. Mehr als einmal waren wir für ein Wochenende nach New York geflogen, oder nach Paris oder London. Ich nahm nicht an, dass Patrick seinen Urlaub allein verbrachte. Der Gedanke, wie schnell auch dieser Liebhaber mich ersetzt hatte, versetzte mir einen weiteren Stich.
    Egal, dachte ich, ich gehe da jedenfalls nicht allein hin. Eine Begleitung musste her, und zwar schnell. Doch das war leichter gesagt als getan. Noch am selben Abend, nachdem ich die spärliche Auswahl an Telefonnummern in meinem Adressbuch durchgegangen war, musste ich einsehen, dass ich einfach niemanden kannte, der infrage kam und verfügbar war. Nicht einmal meine Kontakte in den sozialen Netzwerken waren hilfreich. Was nützte es, wenn man im Internet ungefähr dreihundertsiebenundfünfzig sogenannte Freunde sein Eigen nannte, die man entweder nicht persönlich kannte, oder die über den ganzen Erdball verstreut lebten, im ungünstigsten Fall sogar beides.
    Ich hob das Glas an die Lippen, in dem noch ein Rest des teuren Whisky enthalten war, den ich vor Monaten für Patrick gekauft hatte. Eigentlich mochte ich das Zeug nicht einmal, warum also hatte ich mir bereits zum zweiten Mal nachgeschenkt? Einen Fingerbreit nur pro Glas, aber es hatte genügt, um meine Sinne angenehm zu benebeln. Ich kippte den letzten Schluck hinunter, schüttelte mich, als das scharfe Getränk auf der Zunge brannte, und beschloss, endlich zu Bett zu gehen. Verdammter
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