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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Kerstin Michelsen
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Typ ist eine Hure, dachte ich wütend, und der weist mich ab? Mein Inneres, das sich eben noch so weich, fast flüssig angefühlt hatte, wurde hart und kalt. Wenn ich mich konzentrierte, dann konnte ich mich in Sekundenschnelle in die knallharte Bankerin zurückverwandeln, die ich jeden Tag von acht bis zwanzig Uhr darstellte, die glasklare Entscheidungen traf und nicht lange fackelte.
    «Danke, nicht nötig», fauchte ich und nestelte mein Portemonnaie heraus. «Wie viel bin ich schuldig?»
    « Isa, so war das nicht gemeint …»
    «Kein Problem, es war auch von mir keineswegs ernst gemeint. So arm dran bin ich nun auch wieder nicht, dass ich dafür bezahlen muss, gevögelt zu werden.»
    Ich hielt vier neue, knisternde Scheine in der Hand. Zweimal fünfhundert, zwei Hunderter.
    «Stimmt so», sagte ich und stopfte Laurean das Geld in die Sakkotasche.
    «Das ist zu viel, Isa, und außerdem, ich möchte nicht, dass …»
    «Ich auch nicht. Ich will auch nicht, hast du gehört? Und jetzt würde ich gern allein sein, wenn du also so freundlich wärest …»
    Weiter kam ich nicht. Laurean schlang die Arme um mich, ich spürte, wie seine Lippen über meinen Hals abwärts wanderten. Ich dachte an den köstlichen Schmerz, den ich im Traum empfunden hatte und stöhnte leise auf. Dann, ganz plötzlich, war es vorbei. Die Arme waren fort und ich fiel ins Bodenlose.
    «Was … was ist …», stammelte ich und öffnete die Augen. Hilflos sah ich ihm hinterher, Laurean eilte bereits die Straße hinunter. Einmal sah er sich noch über die Schultern um, dann verschwand er in der dunklen Lücke zwischen zwei Straßenlaternen und tauchte nicht wieder auf. Wie konnte das möglich sein, und was war überhaupt geschehen, dass er mich so abrupt hatte stehen lassen?
    Ich stand wie angewurzelt und konnte es nicht begreifen. Erst a ls ich hinter mir eine Tür klappen hörte und sich Stimmen und Gelächter näherten, setzte ich mich in Bewegung.
    « Isa, bist du das? Ist alles in Ordnung?»
    Lena . Ich sah mich nicht um. Steifbeinig stakste ich in die Richtung, in der Laurean verschwunden war. Die Straße war schnurgerade, stellenweise allerdings nur sparsam ausgeleuchtet. Ich beschleunigte meine Schritte. Die Absätze meiner Sandaletten klackerten hart auf dem Pflaster. Da war ein Schatten, weit vor mir, der sich zügig vorwärts bewegte. Eigentlich konnte Laurean in der kurzen Zeit nicht so weit gekommen sein. Dennoch war ich mir sicher, dass er es war.
    Ich hielt inne, schlüpfte aus den Schuhen und nahm einen in jede Hand. Die hohen Absätze waren nur hinderlich. Dann begann ich zu laufen. Ich weiß nicht, warum ich das tat. Plötzlich erschien es mir wie das Wichtigste auf der Welt, Laurean nicht aus den Augen zu verlieren. Ich musste ihn noch einmal sehen. In meiner Brust hüpfte ein schmerzhafter Klumpen und ich war nicht sicher, ob es an meinem Lauftempo lag.
    War ich jemals einem Mann hinterhergelaufen, mitten in der Nacht, auf bloßen Füßen?
    Der Saum meines Kleides rutschte höher, je weiter ich ausschritt. Es war mir egal, ob jemand mich sah. Die Trunkenheit war verflogen. Mein Kopf war so klar wie selten, zugleich fühlte ich mich auf seltsame Weise losgelöst von allem. Als sei nicht ich es, die da lief. Ich musste ihn einfach finden.
    Der eilige Schatten vor mir wechselte immer wieder die Richtung, mal bog er links ab, dann rechts. Ich hatte Mühe, ihm zu folgen, so schnell ich auch lief. Bald hatte ich vollkommen die Orientierung verloren. Irgendeine finstere, unbekannte Straße war das, in der ich mich schließlich befand, die letzte Straßenlaterne hatte ich an der letzten Ecke hinter mir gelassen. Nur von dem Mond, der gelegentlich zwischen den Wolken aufblitzte, kam ein wenig Licht.
    Ich blieb keuchend stehen und sah mich um. Eben noch hatte ich den Schatten gesehen, doch plötzlich war er fort. Ich war wie eine Irre losgelaufen, ohne nachzudenken, und nun hatte ich den Salat. Eine zwielichtige Gegend schien das zu sein und ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo ich war. Sollte ich einfach versuchen, den gleichen Weg zurückzugehen? Ich drehte mich einmal um mich selbst und versuchte mich zu orientieren. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis. Rechts war eine hohe Mauer, darüber erkannte ich schemenhaft die Umrisse eines düsteren, unbeleuchteten Backsteingebäudes. Links standen schmucklose Fassaden von Mehrfamilienhäusern, eines reihte sich an das nächste. Ein Stück weiter ging eine Eingangstür
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