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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Kerstin Michelsen
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Frauen knisternde Geldscheine zustecken würden. Das alles war mir herzlich gleichgültig und ich war unendlich froh, als ich die Tür zu meiner Wohnung hinter mir zumachen konnte. Eigentlich hätte ich, todmüde und etwas angetrunken wie ich war, gleich auf das Bett fallen können. Doch da war noch etwas, das mich an den Computer trieb. Im Büro sah ich grundsätzlich nicht in meine privaten E-Mails. Aber daran gedacht hatte ich, im Grunde wohl den ganzen Tag über, ohne es mir einzugestehen. Da war diese innere Unruhe gewesen, auch vorhin noch, in der Bar. Ein Kribbeln, das meinen Körper von Zeit zu Zeit durchlief. Jetzt konnte ich es nicht mehr ignorieren. Ich musste einfach wissen, ob der Fremde geantwortet hatte und versuchte mir einzureden, dass es schließlich nur um den Polterabend ging. Genau. Zwei Tage nur noch. Max. Seine Neue. Ich würde mit einem schönen Mann dort auftauchen, ich würde mich amüsieren. Dass dieser Spaß mich einiges an Geld kosten würde, das musste ja keiner erfahren.
    Während die Festplatte sich leise ratternd einschaltete, grübelte ich weiter. Machte ich mich lächerlich? Wahrscheinlich war diese Internetseite sowieso ein einziger Schwindel, das kannte man doch von den Heiratsinstituten, die früher in den Zeitungen annoncierten. Hatte ich nicht einmal einen Bericht darüber im Fernsehen gesehen und mich insgeheim über die Naivität derjenigen amüsiert, die auf diese Weise jemanden suchten, der sie lieben würde? Wie verzweifelt musste man sein, um auf diesen offensichtlichen Schwindel hereinzufallen, das hatte ich damals gedacht. Da suchten angeblich vermögende und liebevolle Herzchirurgen, mit Yacht im Mittelmeer natürlich, eine treue Ehefrau, und am Ende wollten sie einem dann den arbeitslosen Dachdecker andrehen. Oder etwas in der Art.
    I ch hörte schon Lenas Stimme, die entsetzt ausrief: Im Internet, Isa, bist du wahnsinnig, das sind doch alles Perverse …
    Pling . Sie haben dreiundzwanzig E-Mails. Ich durchsuchte den Posteingang. Alles nur Werbung oder Mitteilungen aus Facebook-Gruppen, bei denen ich mich nicht einmal mehr daran erinnerte, warum ich ihnen überhaupt beigetreten war. Und dann diese eine E-Mail: Liebe Isa, ich stehe Ihnen Freitagabend gern zur Verfügung. Rufen Sie mich an, die Nummer finden Sie am Ende dieser Nachricht. Für meine Begleitung berechne ich € 200,- pro Stunde, weitere Leistungen nach Vereinbarung. Gruß, L.
    Ich sah auf die Uhr. Es war wieder beinahe Mitternacht, zu spät wohl , um bei einem Fremden anzurufen. Andererseits, was wusste ich denn schon über die Bürozeiten eines Callboys? Zum ersten Mal gestand ich mir ein, dass es sich um genau das handelte, da konnte man es noch so wohlklingend Escort nennen. Dieser L. war ein Mann, der für Geld Frauen begleitete und nach Wunsch auch mehr anbot. Sex gegen Geld. Wie einsam war ich eigentlich, dass ich mich allen Ernstes damit beschäftigte, einen Mann zu treffen, den ich für seine Zeit mit mir bezahlte? Weitere Leistungen … Ich klickte auf die Seite von Champagne & More, suchte sein Foto und fragte mich, was es war, das mich an diesem Mann so anzog. Gut sah er aus, keine Frage, etwas blass vielleicht, aber das mochte auch an der Aufnahme liegen. Er hatte dunkle, mittellange Haare, das Gesicht war schmal mit auffallend hohen Wangenkochen, ohne auch nur die Andeutung eines Bartschattens, die Nase sehr gerade, darunter volle, aber nicht zu üppige Lippen und ungewöhnlich hellgraue Augen. Sinnlich sah er aus, wenn man so etwas überhaupt von einem Bild behaupten konnte. Aber das konnte nicht alles sein. Vielleicht hatte ich ihn einfach schon zu lange angestarrt. Mittlerweile kam es mir vor, als würde ich diesen Mann bereits kennen, als wüsste ich, wie seine Stimme klang und wie seine Haut sich anfühlte.
    Du meine Güte, sagte ich mir, Isa, jetzt bist du denen schon auf den Leim gegangen, wahrscheinlich ist das nur irgendein Model. Wer weiß, wie der echte Mann dahinter aussieht, dieser L.? Papier ist geduldig und das Internet erst recht. Und warum nennt der nicht einmal seinen ganzen Namen?
    Mein Handy lag neben der Tastatur. Ich nahm es immer mit ins Schlafzimmer, und da ich vorgehabt hatte, nur die E-Mails zu checken und dann ins Bett zu gehen, hatte ich es neben dem Computer abgelegt. Ich streckte die Hand aus. Meine Finger tippten, während mein Herz aus dem Takt geriet: Sind Sie noch wach? Ich weiß, es ist spät. Aber könnten wir vielleicht noch kurz telefonieren, bevor ich
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