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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Kerstin Michelsen
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mir bis heute nicht erklären kann. Ohne nachzudenken, ohne mir auch nur dessen bewusst zu sein, was ich tat, bewegte meine Hand die Computermaus. Der kleine Pfeil klickte auf Kontakt und ich schrieb in das namenlose Chiffreformular: Hi, ich brauche für Freitag eine männliche Begleitung zu einer privaten Feier. Nur Begleitung. Was kostet das für einen Abend? Sind Sie verfügbar? Dann schreiben Sie mir bitte schnellstmöglich unter Isa1978@ …
    Senden.
    Ich kam wieder zu mir, als es leise pling machte. Ich starrte auf den Bildschirm. Vielen Dank für Ihre Nachricht. Der von Ihnen ausgewählte Herr wird sich unverzüglich mit Ihnen in Verbindung setzen .
    Hatte ich es also wirklich getan? Oh Gott, dachte ich, wie peinlich, ich hatte gefragt, was es kosten würde? Ich kicherte nervös, dann schloss ich den Browser und ließ den Computer herunterfahren. Nun war es ohnehin nicht mehr zu ändern. Ich ging schlafen. Morgen würde wieder ein langer Tag sein, wie jeder meiner Arbeitstage.
     
    Auf den letzten Cocktail hätte ich verzichten sollen, das wurde mir in dem Moment klar, als ich mich vom Barhocker erhoben hatte und mich sehr zusammennehmen musste, um nicht zu schwanken. Fahren konnte ich jedenfalls nicht mehr, also ließ ich meinen Wagen in der Tiefgarage der Bank stehen und nahm ein Taxi. Wenn es wenigstens ein netter Abend gewesen wäre, dann wäre mir das gleichgültig gewesen, doch ich hatte mich schlicht gelangweilt. Das war auch der Grund gewesen, weshalb ich innerhalb kürzester Zeit drei Bloody Mary in mich hineingekippt hatte. Zu allem Überfluss hatte das Getränk zu viel Wodka enthalten und nicht besonders gut geschmeckt. Unter anderen Umständen hätte ich mich bei dem Barkeeper beschwert und den Drink zurückgehen lassen, aber an diesem Abend war es mir nur recht gewesen. Normalerweise ging ich den Trinkgelagen mit den Arbeitskollegen aus dem Weg, die in schöner Regelmäßigkeit nach Büroschluss stattfanden. In der Regel war das einfach, denn ich arbeitete ohnehin meistens länger als die anderen, sodass sie mich gar nicht mehr fragten. Doch an diesem Abend hatte ich keine Wahl gehabt, denn Martin, unser Abteilungsleiter, feierte seinen Geburtstag. Er hatte kein Nein akzeptiert. Also war ich mitgegangen und hatte mir zwei Stunden lang die aufgeblasenen Plattitüden angehört, mit denen mehr oder minder erfolgreiche Männer anscheinend so gern um sich warfen: Mein Haus, mein Boot, meine Frau, meine Geliebte. Ja, genau, Jungs, wer hat den Größten, dachte ich, verkniff mir nur mühsam ein genervtes Augenrollen und bestellte den nächsten Drink.
    Nicht, dass es mir an sich etwas ausgemacht hätte, die einzige Frau in unserem Trupp zu sein, im Gegenteil war ich immer stolz darauf gewesen. Ich war das erste weibliche Wesen, das es in den illustren Kreis der Abteilung geschafft hatte, von den Sekretärinnen einmal abgesehen. Dieser Aufstieg hatte mich mehrere Jahre harter Arbeit gekostet, denn die wirklich interessanten und lukrativen Jobs in dieser altehrwürdigen Privatbank waren immer noch fest in männlicher Hand. Ich hatte lange und zielstrebig darauf hingearbeitet, dass dies nicht für immer so bleiben würde. Eines Tages würde ich es bis in den Vorstand schaffen, das hatte ich mir geschworen. Der Weg dorthin führte unweigerlich über eine Position, in der man viel Geld machte, damit die dort oben auf einen aufmerksam wurden. Immerhin hatte ich es schon unter die Devisenhändler geschafft und war entschlossen, einen nach dem anderen hinter mir zu lassen. Inzwischen hatte ich mir durch einige waghalsige, aber gewinnbringende Geschäfte den Respekt der Kollegen erworben. Auch die Vorgesetzten hatten bereits mitbekommen, dass ich keine Angst vor schnellen Entscheidungen hatte. Manchmal jedoch ließen sie mich spüren, dass mir etwas Entscheidendes fehlte, um ganz dazuzugehören, nämlich das, was ihnen zwischen den Beinen baumelte. Dass ich darauf gar keinen Wert legte, schien ihnen vollkommen zu entgehen. In meinen Augen benahmen sie sich so kindisch wie kleine Jungen, die damit prahlten, wer weiter pinkeln konnte.
    Als ich mich verabschiedete, war die Luft zwischen ihnen derartig mit Testosteron gesättigt, dass man sie beinahe schneiden konnte. Die lieben Kollegen waren wohl ebenso froh wie ich, als ich ging, denn für sie war der Abend noch nicht zu Ende. Ich hätte ein halbes Monatsgehalt darauf verwettet, dass sie keine halbe Stunde später in irgendeinem teuren Club halbnackten jungen
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