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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Kerstin Michelsen
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Mist, dachte ich, ich werde doch wohl noch einen Mann für einen Abend auftreiben können!
    Als ich den Browser schließen wollte, erschien ein Fenster mit Werbung auf dem Bildschirm. Pastellfarben, geschmackvoll, im Hintergrund die stilisierte Andeutung eines muskulösen männlichen Oberkörpers. Champagne & More, der kultivierte Escortservive für anspruchsvolle Damen. Prickelnd. Exklusiv. Seriös. Diskret .
    Na toll, dachte ich, das passt ja! Genervt klickte ich auf das kleine Kästchen mit dem roten Kreuz, um die Werbung zu schließen. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht mehr ganz nüchtern war, jedenfalls klickte ich mehrmals daneben. Ich bekam das verdammte Ding einfach nicht weg, im Gegenteil, nun öffnete sich eine weitere Internetseite, die den ganzen Bildschirm ausfüllte: Champagne & More. Haben Sie Lust … auf ein Abenteuer?
    Gegen meinen Willen begann ich zu lesen, wobei mich idiotischerweise ein unangenehmes Gefühl beschlich, als würde ich etwas Verbotenes tun. Dabei war es nicht einmal Sex, der hier angeboten wurde, jedenfalls nicht so unverblümt. Champagne & More stellte sich als eine Kontaktbörse dar, in der die Männer sich in einem eigenen Profil selbst vorstellten. Die Kundinnen konnten dann über E-Mail direkt mit ihnen Kontakt aufnehmen. Das Ganze wirkte geschäftsmäßig und seriös. Escorts nannten die Männer sich. Na ja, so kann man das auch nennen, dachte ich, trotzdem blätterte ich ein Profil nach dem anderen durch. Die Fotos der Männer zeigten viel Haut, vorwiegend muskulöse, freie Oberkörper, aber es waren allesamt geschmackvolle Aufnahmen. Die zahlenden Damen bekamen etwas geboten für ihr Geld, so viel war sicher. Eben noch war ich müde und genervt gewesen, plötzlich fühlte ich mich hellwach und wie elektrisiert. Die Männer waren unterschiedlichen Alters und sahen alle gut aus, jeder auf seine Weise. Einige waren bärtig, andere glatt rasiert, der eine sehr jung, der andere mehr der Typ reiferer Herr, der eine war sportlich, der andere kulturell interessiert, wieder ein anderer beherrschte sechs Sprachen fließend. Männer für alle Lebenslage also, doch letztlich schien es darauf hinauszulaufen, dass die Kundin bestimmte, welche Leistungen sie buchen wollte. Die Begleitung für einen Abend in der Oper schien genauso möglich zu sein wie … nun ja, einfach Sex, vermutlich. Ich fragte mich, was einer Frau wohl durch den Kopf gehen mochte, wenn sie sich hier einen Mann aussuchte, um sich von ihm lieben zu lassen. Andererseits: Männer taten das jeden Tag, sie bezahlten Frauen, damit sie bestimmte Dinge für sie taten.
    T rotzdem konnte ich den Wunsch einer Frau nach käuflichem Sex aus irgendeinem Grunde weniger nachvollziehen. War ich wirklich so spießig? Unwillkürlich stellte ich mir faltige, von zu viel Florida-Sonne dunkelbraun geschmorte Millionärswitwen vor, die ihre knotigen Finger über straffe, muskulöse Schultern wandern ließen. Ungeachtet der Tatsache, dass ihre Körper sich alt und welk anfühlten, mochte ihre Lust noch jung und ungezügelt sein. Aber vielleicht war es auch ganz anders, als ich mir das vorstellte? Vielleicht bedienten sich auch Frauen meines Alters dieser Dienstleistung, einfach weil sie es sich leisten konnten und Lust darauf hatten? Weil sie es brauchten, wofür auch immer? Also, warum eigentlich nicht? Was, wenn ich einen dieser durchweg attraktiven Männer buchte, damit er mich zu dem Polterabend begleitete?
    Ich lehnte mich zurück und versuchte zu überschlagen, was ein ganzer Abend wohl kosten mochte. Als mir aufging, dass ich den Gedanken tatsächlich ernsthaft erwog, musste ich grinsen. Wenn Lena das wüsste! Am liebsten hätte ich sie auf der Stelle angerufen, und nur der Blick auf die Uhr hielt mich zurück. Es war beinahe Mitternacht. Abgesehen davon, dass ich das nicht wirklich tun würde. Und nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich mit einem bezahlten Mann bei ihrer Feier aufkreuzte: Dann durfte niemand wissen, wie das Rendezvous zustande gekommen war. Nie im Leben. Ich würde einfach sagen … egal, ich würde es sowieso nicht tun.
    Aber ich hatte mir noch nicht alle Escorts angesehen, zwei oder drei Profile fehlten noch. Da fiel mein Blick auf ihn. Es war ja nur ein Foto auf einem Computerbildschirm, dennoch kam es mir so vor, als starrte er mich an. Der Blick – der natürlich keiner war, ein Foto konnte mich nicht ansehen, das wusste ich natürlich – ging mir durch und durch. Und dann tat ich etwas, das ich
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