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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
Autoren: Patricia A. McKillip
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Kap. 1
    Morgon von Hed begegnete dem Harfner des Erhabenen an einem Herbsttag in Tol, als dort, wie alle Jahre um diese Zeit, die Handelsschiffe zum Austausch der Güter anlegten. Ein kleiner Junge sichtete in der Ferne die rundbäuchigen Schiffe, die sich mit windgeblähten Segeln, rot, blau und grün gestreift, zwischen winzigen Fischerbooten ihren Weg bahnten, und er rannte die Küste hinauf von Tol nach Akren, dem Hause Mor- gons, des Herrschers von Hed. Dort platzte er mitten in einen Streit hinein, übermittelte seine Botschaft und ließ sich an einem der langen, fast leeren Tische nieder, um zu ergattern, was noch vom Frühstück übrig war. Der Herrscher von Hed, mitgenommen noch vom vergangenen Abend, als er mit seinen Leuten zwei Wagen mit Bier beladen hatte, die zum Handelsplatz gebracht werden sollten, blickte mit blutunterlaufenem Auge über die Tische und rief seine Schwester.
    »Aber, Morgon«, sagte Harl Stein, einer seiner Bauern, das Haar so grau wie ein Mühlstein und der Körper so plump wie ein Sack Getreide, »was ist mit dem weißen Stier aus An, den Ihr haben wolltet? Der Wein kann warten -«
    »Und was«, gab Morgon zurück, »ist mit dem Getreide, das noch in Wyndon Amorys Scheune in Ost-Hed liegt? Es muß nach Tol gebracht werden, zu den Händlern. Warum bleibt hier immer alles liegen?«
    »Wir haben das Bier aufgeladen«, erinnerte ihn sein Bruder Eliard, klaräugig und boshaft.
    »Danke. Wo ist Tristan? Tristan!«
    »Was denn!« sagte Tristan von Hed zornig hinter ihm. Sie hielt die Enden ihrer dunklen, noch nicht fertig geflochtenen
    Zöpfe in den Fäusten.
    »Nimm den Wein jetzt und den Stier im nächsten Frühjahr«, schlug voller Eifer Meister Cannon vor, der mit Morgon aufgewachsen war. »Wir sind knapp an Herun-Wein; wir haben kaum genug für den Winter.«
    Mit einem Blick auf Tristan rief Eliard: »Ha, ich wünschte, ich hätte nichts Besseres zu tun, als den ganzen Morgen herumzusitzen, mir das Haar zu flechten und mein Gesicht mit Buttermilch zu waschen.«
    »Ich wasche mich wenigstens. Du riechst wie ein ausgelaufenes Faß Bier. Alle riecht ihr so. Und wer hat den Boden so schmutzig gemacht?«
    Sie blickten zu ihren Füßen hinunter.
    Im Jahr zuvor noch war Tristan ein mageres, braunes Ding gewesen, das gern barfuß auf Mauern kletterte und durch die Zähne pfiff. Dieser Tage stand sie viel vor dem Spiegel und beäugte stirnrunzelnd ihr Gesicht und jeden, den der Spiegel einfing. Sie ließ ihren unwilligen Blick von Eliard zu Morgon wandern.
    »Weshalb hast du nach mir gebrüllt?« Der Herrscher von Hed schloß die Augen. »Verzeih mir, ich wollte nicht brüllen. Ich wünsche nur, daß du die Tische abräumst und neu aufdeckst. Stell Krüge mit Milch und Wein hin, laß in der Küche Platten mit Fleisch, Käse, Obst und Gemüse richten, flechte dein Haar, zieh dir Schuhe an und wisch den Schmutz vom Boden auf. Die Händler kommen.«
    »Ach, Morgon...« jammerte Tristan. Morgon wandte sich Eliard zu.
    »Und du reitest nach Ost-Hed und bestellst Wyndon, er soll sein Getreide nach Tol schaffen.«
    »Morgon! Das ist ein Tagesritt!«
    »Ich weiß. Darum wird es Zeit, daß du aufbrichst.« Reglos und mit geröteten Gesichtern standen sie da, während Morgons Bauern mit unverhohlener Erheiterung zusahen. Sie waren einander nicht ähnlich, die drei Kinder von Athol von Hed und Spring Eichenland. Tristan mit dem widerspenstigen schwarzen Haar und dem kleinen, herzförmigen Gesicht glich eher der Mutter. Eliard, zwei Jahre jünger als Morgon, hatte Athols breite Schultern und schwere Knochen geerbt und dessen blasses, federleichtes Haar. Morgon, Haar und Augen von der Farbe hellen Bieres, glich der Großmutter, die den Alten noch als eine ranke, stolze Frau aus Süd-Hed in Erinnerung war: Lathe Walts Tochter. Sie hatte die Leute genau so ansehen können, wie Morgon jetzt Eliard ansah, unbeteiligt, wie ein Fuchs, der von einem Häufchen Hühnerfedern aufsieht.
    Eliard blähte die Wangen wie einen Blasebalg und seufzte.
    »Wenn ich ein Pferd aus An hätte, könnte ich bis zum Nachtmahl hin und zurück sein.«
    »Ich reite hinüber«, sagte Meister Cannon. Ein Hauch von Farbe überzog sein Gesicht.
    »Ich mach es schon«, versetzte Eliard.
    »Nein. Ich möchte gern - ich habe Arin Amory eine ganze Weile nicht gesehen. Ich reite hinüber.« Er sah Morgon an.
    »Mir ist es gleich«, erklärte Morgon. »Vergiß nur nicht, warum du hinüberreitest. Eliard, du hilfst in Tol beim Laden. Grim,
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