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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
Autoren: Wolfgang Burger
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andere erpresst?«
    »Ich gehe jetzt.« Der Anwalt erhob sich und klemmte sich den kleinen Laptop unter den Arm. »Es ist kurz vor sechs. Die Vernehmung ist beendet.«
    »Schönen Abend«, wünschte ich, ohne ihm einen Blick zu gönnen.
    »Ciao«, sagte Plakowsky mit hängendem Kopf. »Und danke.«
    Die Tür fiel ins Schloss.
    »Ein Wahnsinn«, sagte er zu sich selbst. »Ein Wahnsinn. Wegen einer Millisekunde …«
    Plötzlich nur noch zu dritt, lauschten wir den empörten Schritten des Anwalts auf dem Flur, die allmählich leiser wurden. Der Lift gongte. Dann war es still.
    »Und was geschieht nun?«, wollte Plakowsky erschöpft wissen.
    »Ich nehme Sie hiermit erneut fest«, erklärte ich ruhig. »Es gibt neue Indizien, die Sie schwer belasten. Und bisher sehe ich leider keinen Beweis dafür, dass Sie in der Zeit, als Lea verschwand, wirklich zu Hause waren.«
    »Wo soll ich denn sonst gewesen sein?«, fragte er kläglich.
    »In Straßburg. Wo sonst? Sie hatten eine Heidenangst davor, dass Lea doch noch zur Polizei geht. Oder dass das mit der Erpressung weitergeht. Jetzt konnte sie ja auch noch gegen Sie verwenden, dass Sie sie gefesselt und mit der Waffe bedroht haben. Nicht gerade die Art, wie Lehrer mit Schülerinnen umspringen sollten.«
    Plakowsky nickte, als wäre das ein Argument, über das nachzudenken sich lohnte.

38
    Bevor ich mich auf den Heimweg machte, ging ich noch einmal in mein Büro. Ich musste ein Weilchen suchen, bis ich den Vorgang im Intranet fand. Runkel hatte zwar das Protokoll seines Gesprächs mit Lea verschludert, die Protokolle der beiden anderen Vernehmungen hatte er dagegen ordentlich abgelegt. Der eine Name – Kevin Müllerschön – sagte mir nichts. Der zweite dafür umso mehr: Henning Dellnitz.
    Henning und Lea hatten sich also schon in den Weihnachtsferien kennengelernt. Über ein halbes Jahr bevor sie nach Heidelberg übersiedelte. Vermutlich hatte Lea ihm später von ihrer Entdeckung erzählt. Und wahrscheinlich hatte er auch erfahren, dass sie Plakowsky erpresste. Hatte – verliebt, wie er war – immer verzweifelter versucht, ihr den Unsinn auszureden. Am Ende vielleicht auf ihrem Laptop Dateien entdeckt, denen er entnehmen musste, dass seine Mahnungen und Bitten nicht gefruchtet hatten. Und noch Schlimmeres hatte er natürlich entdeckt: dass seine Lea Sex mit Männern hatte, die er nicht einmal kannte. Mit mehreren Männern vielleicht sogar, während sie ihn ewig zum Narren hielt. Ihm immer neue Hoffnungen machte, ihn immer wieder lachend abblitzen ließ.
    Mein Handy summte.
    »Paps«, sagte Louise vorwurfsvoll. »Wo bleibst du denn? Wir dachten, du hast Urlaub?«
    Am Mittwoch fuhren wir zu dritt nach Ludwigshafen, um Henning zu besuchen. Er lag in einem Einzelzimmer, inzwischen ohne Apparate. Er lag einfach nur da, mit geschlossenen Augen und ruhigem, zufriedenem Gesichtsausdruck. Als würde er einer schönen Musik lauschen oder einer nicht sonderlich spannenden Geschichte. Sein Atem ging regelmäßig.
    Wir hatten ein kleines Sträußchen aus Tannenreisig mit bunten Glaskugeln mitgebracht, das wir auf der Fensterbank platzierten, da der Nachttisch bereits von einem anderen, größeren und schöneren Arrangement besetzt war.
    Die Zwillinge hatten sich überlegt, ihrem Freund ein Fläschchen Duftöl zu schenken. Irgendwo hatten sie aufgeschnappt, Komapatienten könnten zwar nichts sehen, vielleicht aber hören und riechen. Eine Weile standen wir still da und betrachteten den viel zu jungen Patienten. Und wieder fand ich, dass er mir ähnlich sah.
    Sollte Doro etwa …
    Hatte sie geahnt, welche Gedanken ich mir machte, und mich belogen? Nun gut, ein wenig angeschwindelt?
    Für Sekunden war es ganz still. Dann fuhr draußen ein Rettungswagen mit heulendem Motor an, Martinshörner gellten los. Sekunden später kam das Knattern eines Hubschraubers rasch näher. Die Feiertage waren vorbei. Und das Unglück kannte keinen Urlaub.
    Doro …
    Ich konnte den Blick nicht von Hennings Gesicht lösen.
    Wollte ich die Wahrheit wirklich wissen?
    »Du wachst wieder auf, okay?« Mit Tränen in den Augen ergriff Louise Hennings blasse Hand und streichelte sie ein wenig, als würde sie für immer Abschied nehmen.
    Dann sagten wir alle drei leise »Tschüs« und fuhren nach Heidelberg zurück.
    Eine Stunde später betrat ich wieder die Polizeidirektion. Im Treppenhaus lief mir Sven Balke über den Weg, der seinen Urlaub auch ständig auf den nächsten Tag verschob. Eigentlich sei Snowboarden in
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