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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
Autoren: Wolfgang Burger
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aufgefallen. Dieses Mal hatte sie allerdings nicht hübsche Sachen zum Anziehen mitgehen lassen, sondern etwas zu essen. Auf der Polizeiwache hatte sie später einen falschen Ausweis präsentiert. Einen Personalausweis, der Monate zuvor in Paris einer deutschen Touristin abhandengekommen war, die ungefähr Leas Alter und Aussehen hatte.
    »Ich nehme an, sie hat das Ding auf dem Schwarzmarkt gekauft«, erklärte ich Leas Vater, der mit trübem Blick neben mir saß und auf die Autobahn starrte, als könnte er meinen Peugeot dadurch schneller machen.
    »War da was mit … Männern? Ist sie auf den Strich gegangen?«
    »Dann hätte sie es nicht nötig gehabt, ihr Essen zu klauen. Den Rest wird sie Ihnen früher oder später selbst erzählen. Jetzt ist erst mal wichtig, dass sie lebt. Und in einer knappen Stunde aus dem Zug steigen wird. Alles andere wird sich finden. Mit der Zeit.«
    Mit dem neuen Jahr war der Frost über Mitteleuropa hereingebrochen. Die Temperatur lag jetzt, am Vormittag, trotz Sonne bei minus acht Grad. Der Ostwind blies glitzernden Staub über die trockenen Fahrbahnen. Der Heizung des Peugeot gelang es kaum, im Innenraum eine erträgliche Temperatur zu schaffen.
    »Werden Sie sie verhaften?«, fragte Lassalle, als wir die Ausfahrt Appenweier hinter uns ließen.
    »Natürlich.«
    »Wird es … schlimm werden?«
    »Erpressung ist kein Kleindelikt. Aber sie kommt mit einer Jugendstrafe davon.«
    Er nickte abwesend, starrte immer noch nach vorn. Voller Furcht vor dem, was mit einhundertdreißig Stundenkilometern auf ihn zukam.
    »Haben Sie im Ernst geglaubt, ich hätte ihr was … getan?«, fragte er irgendwann.
    »Ich kriege mein Gehalt am Monatsende nicht dafür, irgendwas zu glauben, sondern dafür, Tatbestände zu beweisen.«
    Die Europabrücke kam in Sicht. Mein Handy schlug Alarm.
    »Ich habe ihn, Chef!», rief Balke. »Endlich! Gröwer war doch in Straßburg!«
    »Wie haben Sie das denn herausgefunden?«
    »Indem ich mir fast einen Wolf telefoniert habe. Gestern habe ich endlich eine Zugbegleiterin aufgetrieben, die ihn am zweiten Dezember im ICE gesehen hat. Sie ist seit zwei Wochen in Tunesien auf Urlaub, drum war’s ein bisschen kompliziert.«
    »Und Ihre Zeugin ist sich sicher?«
    »Todsicher sogar. Sie kennt Gröwer gut, weil sie seine Visage aus der Glotze kennt und er die Strecke außerdem regelmäßig gefahren ist. Er fliegt nicht gerne, hat er ihr mal gestanden. Am Telefon hat sie durchblicken lassen, dass er sie auch kräftig angebaggert hat und dass ihr das … na ja, nicht gerade lästig war.«
    »Und sie ist sich auch sicher wegen des Datums?«
    »Es war der Tag, an dem ihr Stiefvater ins Krankenhaus kam. Zweiter Dezember, hundertpro. Wenige Reihen nachdem sie Gröwer begrüßt hatte, hat ihr Handy geklingelt, und sie hat das mit ihrem Stiefvater erfahren. Gröwer hat sie sogar noch gefragt, warum sie auf einmal so blass ist.«
    »Weiß sie auch, wo er ausgestiegen ist?«
    »In Karlsruhe. Sie hat sich gewundert, weil er sonst immer in Mannheim umgestiegen ist. Er müsste weiter in den Süden, hat er ihr erklärt. Der Zug ging in Berlin nachmittags um kurz nach drei. Um Viertel vor zehn war er in Offenburg.«
    »Ein Beweis sieht anders aus.«
    »Das ist mir klar, Chef.« Aber er fühlte sich trotzdem besser.
    »Und jetzt geht’s endlich nach Österreich?«
    »Evalina und ich sitzen schon im Auto. Wetter und Schnee sollen bombig sein. Und heute Abend holen wir die Silvesterparty nach.«
    Der Zug war auf die Sekunde pünktlich. In dem Augenblick, als die Bahnhofsuhr auf dreizehn Uhr zweiundvierzig sprang, kam der TGV aus Paris Gare de l’Est zum Stehen. Lea und ihre Bewacherin waren in Toulouse um Viertel vor fünf am Morgen losgefahren, hatten in Paris Aufenthalt gehabt und waren entsprechend erschöpft.
    Und dann stand sie vor mir. Lea Lassalle. Siebzehn Jahre und dreihundertdreiundsechzig Tage alt. Schmal und blass und übernächtigt und mit immer noch oder schon wieder aufmüpfigem Blick. Schräg hinter ihr stand breitbeinig eine schlecht gelaunte und sichtlich ebenfalls unausgeschlafene französische Kollegin. Sie schloss mit wütenden Bewegungen die Handschellen auf, mit denen sie ihren Schützling an sich gekettet hatte. Dann hielt sie mir einige Papiere hin, damit ich den Empfang der schon nach wenigen Sekunden vor Kälte bibbernden Ware quittierte.
    Lassalle umarmte seine Tochter. Erst zögernd und sacht, dann fest. Stocksteif, die Arme eng am Körper und mit abgewandtem
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