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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
Autoren: Wolfgang Burger
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ihren Geburtstag nachgefeiert und außerdem die Fertigstellung ihres neuen Buchs. Seit Mitte November war es nun in der Druckerei, und in der kommenden Woche würde die Auslieferung beginnen. Wir hatten viel gelacht, echten Champagner getrunken und uns geliebt und das Leben schön und aufregend gefunden.
    »Kirchen sind langweilig«, fand Louise und ließ sich von meinem Gähnen anstecken. »Die einen sind klein, die anderen sind groß, und innen ist es immer scheißkalt.«
    »Du hast ja überhaupt nicht richtig hingeguckt«, fauchte Sarah. »Denkst du auch mal an was anderes als an deinen blöden …«
    »Der ist überhaupt nicht blöd!«, fiel Louise ihr böse ins Wort. »Du bist selber …«
    Erst in dieser Sekunde wurde den beiden bewusst, dass sie nicht mehr allein waren. Ich fragte mich, an wen meine kleine, gerade erst sechzehn Jahre alt gewordene Louise wohl die meiste Zeit denken mochte. Aber ich fragte nicht, denn ich hätte ohnehin nur ausweichende Antworten erhalten. Es gab Dinge, die gingen Väter nichts an.
    »Und, wie war’s sonst gestern?«, fragte ich leutselig, um die peinliche Situation zu überspielen.
    »Ganz okay«, erwiderte Sarah finster. »Das Münster war echt stark. Auch wenn’s bloß einen Turm hat. Aber im Parlament war’s ätzend. Bloß Gequatsche, die ganze Zeit. Und die Kopfhörer haben auch nicht richtig funktioniert. Auf meinem hat man die deutsche Übersetzung gar nicht verstanden. Und zweimal bin ich eingepennt.«
    Louise wandte sich ihrer klebrigen Fettbombe zu und grummelte: »Immerhin haben wir’s überlebt.«
    Mit Menschen im Alter meiner Zwillinge konnte man vermutlich eine achtwöchige Rundreise durch China machen, und das Einzige, woran sie sich am Ende erinnern würden, wären die unmöglichen Toiletten, das komische Essen und dieser ulkige Typ mit dem schwarzen Schwein an der Leine.
    Leise Musik dudelte aus dem kleinen Radio, das neben der Spüle stand. Chris Rea, »On the Beach«. Die Sonne spiegelte sich auf der blanken Holzplatte unseres Küchentischs. Richtig, Urlaub sollte man mal wieder machen, dachte ich, zur Not auch ohne Strand. Faulenzen. Schlafen, bis man nicht mehr konnte. Lesen, bis es keinen Spaß mehr machte. Ich hatte noch über drei Wochen Resturlaub aus dem vergangenen Jahr. Vielleicht sollte ich nach Weihnachten ein paar Tage davon nehmen? Der Gedanke war sehr verlockend.
    Während Sarah Anekdoten von ihrem Ausflug in eine der schönsten Städte Europas erzählte, hörte ich nur mit halbem Ohr zu. In mir klang immer noch der wohlige Nachhall meines liebevollen Abends mit Theresa. Louise murmelte hin und wieder zustimmend oder ablehnend. Ihre Laune war schon seit Wochen selbst für einen Teenager ungewohnt wechselhaft, wurde mir bewusst. Da schien jemand Beziehungsprobleme zu haben. Seit Monaten nahmen die beiden die Pille, und noch immer war es mir nicht gelungen, herauszufinden, zu wessen Vergnügen meine Töchter ihre unschuldigen Körper vergifteten.
    Ich erhob mich, um mir einen Cappuccino zu machen. Im Radio kamen jetzt Nachrichten. Die Börsen waren wieder einmal auf Talfahrt. Griechenland kam und kam auf keinen grünen Zweig. In den USA waren die Republikaner gegen Steuererhöhungen. In der vergangenen Nacht war am Rand der Landstraße zwischen Molsheim und Soultz-les-Bains eine unbekleidete Tote gefunden worden. Ich drehte das Radio lauter. Eine Autofahrerin hatte spätnachts eine Reifenpanne gehabt, das Reserverad montiert und sich anschließend – es war eine mondhelle Nacht gewesen – in einem nahen Bach die Hände waschen wollen. Dabei war sie auf die Leiche gestoßen. Was man bisher über die Tote sagen konnte: Die Frau war jung gewesen, als sie noch lebte, schlank und schwarzhaarig. Und vermutlich war sie Opfer eines Sexualverbrechens geworden.
    In diesem Moment trillerte das Telefon im Flur.
    »Marchow hier«, meldete sich eine aufgeregte Frauenstimme. »Spreche ich mit Herrn Gerlach?«
    »Ja«, sagte ich zögernd. Schon ihr erster Satz klang nach Ärger. Und das Letzte, wonach mir heute der Sinn stand, war Ärger.
    »Ich …« Sie schluckte hörbar und fuhr atemlos fort: »Ich bin eine Lehrerin Ihrer Töchter. Ich unterrichte Politik und Geschichte, und ich … Wir waren ja gestern in Straßburg, wie Sie natürlich wissen, und …«
    »Was haben die beiden ausgefressen?«, fragte ich. Den zweiten Teil der Frage, nämlich was mich der Spaß wohl kosten werde, behielt ich für mich.
    »Es geht nicht um Louise und Sarah. Es geht um
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