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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
Autoren: Wolfgang Burger
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Korea …«
    »Und was ist nun mit dieser Webcam?«
    »Man kann im Internet sein Wohnzimmer sehen und ein Stück vom Parkplatz. Durchs Fenster.« Der Hausmeister war inzwischen wieder zu Atem gekommen, und seine Neugierde schien fürs Erste gestillt zu sein. »Er hat’s mir vor ein paar Wochen mal gezeigt. Wegen seiner Freundin macht er das, weil sie doch in Korea ist. Ich glaube, sie ist schrecklich eifersüchtig und will sehen, dass er brav ist.«
    »Und jetzt sagen Sie bloß, auf den Bildern ist Plakowskys Auto zu sehen.«
    »Genau!« Er strahlte mich von unten her an. Sein Mundgeruch schien in den letzten Minuten noch schlimmer geworden zu sein. »Die Kamera macht jede Minute ein Bild. Rund um die Uhr.«
    »Werden die Bilder gespeichert?«
    »Weiß ich nicht. Wäre aber toll, was?«
    »Dann wollen wir doch gleich mal mit dem jungen Mann reden.«
    »Geht nicht. Ich hab unten geläutet. Er ist nicht da.«
    »Wo steckt er?«
    Der Hausmeister hob die runden Schultern unter seinem grauen Kittel und strahlte immer noch. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen.
    Als ich nach Hause kam, lagen die Zwillinge vor dem Fernseher und sahen mit runden Augen einen Film, in dem attraktive, junge Frauen mit mehr oder weniger Erfolg attraktiven, jungen Männern nachstellten. Ich nahm Theresas Buch vom Couchtisch, verzog mich in die Küche, machte mir eine große Kanne Tee gegen die kalten Zehen und las weiter. Bald darauf tauchten die Zwillinge auf und hatten Hunger.
    Beim Essen sprachen wir über Henning. Meine Mädchen waren immer noch erschüttert von dem, was sie in der Klinik gesehen hatten. Wollten und konnten nicht akzeptieren, dass niemand sagen konnte, wie es mit ihrem Freund weiterging. Nicht einmal die allertollsten Ärzte. Dass es so etwas wie Schicksal gab. Dass Menschen manchmal bestraft wurden, obwohl sie sich nichts hatten zuschulden kommen lassen.
    Später verzogen sie sich in ihre Zimmer, um sich im Internet mit Freunden zu treffen. Ich legte mich auf die Couch und genoss die nachweihnachtliche Ruhe und Theresas Buch.
    Nachmittags um kurz nach fünf surrte mein Handy aufgeregt auf dem Tisch. Ich war ein wenig eingenickt und brauchte einige Sekunden, bis ich es richtig herum in der Hand hielt.
    »Hayek hier. Hab Ihnen grad eine Mail geschickt. Sie werden staunen.«
    Bevor ich mich bei dem eifrigen Hausmeister bedanken konnte, hatte er schon aufgelegt. Ich brachte mich ächzend in die Senkrechte, hob meine Lektüre vom Boden auf, die mir von der Brust gerutscht war, machte mir in der Küche einen Cappuccino zum Wachwerden und betrat immer noch leicht benommen mein Schlaf-und Arbeitszimmer.
    An der Mail des Hausmeisters hingen zehn Megabyte Fotos hundsmiserabler Qualität. Auf jedem der Bilder waren rechts unten Datum und Uhrzeit vermerkt.
    Das erste stammte vom zweiten Dezember, siebzehn Uhr. Zu diesem Zeitpunkt waren meine Töchter zusammen mit ihren Schulfreunden und -freundinnen durch das weihnachtlich illuminierte Straßburg gestreunt, und Lea hatte vermutlich wieder einmal telefoniert. Ich sah eine überraschend ordentliche Studentenwohnung. Möbel von Oma, vom Sperrmüll oder von IKEA. Anstelle von Bildern ein rotes Rennrad an der Wand. Hanteln verschiedener Größen am Boden. Ein aufgeklappter Laptop auf einem knallroten Sofa. Der Bewohner selbst, in Jeans und Muskelshirt, war gerade dabei, etwas vom Boden aufzuheben. Noch war es vor dem Fenster nicht ganz dunkel. Plakowskys Renault stand dort, wo er auch heute gestanden hatte. Man sah nur die rechte hintere Ecke im Winkel des Fensters, aber es war sein Auto, unverkennbar.
    Ich schaltete das Bildbetrachtungsprogramm in den Modus »Diashow«. Eine Sekunde für jede Aufnahme. Sechzig Sekunden für eine Stunde. Um sieben Uhr abends war das Licht im Wohnzimmer aus, der Student vermutlich unterwegs, und der silberfarbene Renault stand immer noch an seinem Platz. Auch um acht. Inzwischen war es draußen längst dunkel geworden, und der Wagen war nur deshalb noch zu erkennen, weil Licht von einer Straßenlaterne auf den Parkplatz fiel.
    Auch um zwanzig Uhr siebenundfünfzig war der Student noch nicht wieder zu Hause, und Plakowskys Wagen stand noch an seinem Platz. Eine Minute später war auch er verschwunden. Die Serie, die der Hausmeister mir geschickt hatte, reichte bis vier Uhr neunundfünfzig. Zu diesem Zeitpunkt war Plakowskys Parkplatz immer noch leer, und der Student war auch noch nicht wiederaufgetaucht.
    Plakowsky hatte gelogen. Vermutlich hatte er Lea
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