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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
Autoren: Wolfgang Burger
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es, und dann bist du dran. Erst am Montag habe ich erfahren, dass sie verschwunden ist. Es war die Hölle.«
    »Bleibt die Frage: Woher stammt das Blut? Das Blut ist doch von Lea?«
    Der Lehrer hob müde und eine Spur zu langsam die Achseln. »Ich weiß nichts von Blut.«
    »Warum hat Lea geblutet, als sie nach Hause kam?«, fragte ich eindringlich.
    Der Anwalt sah demonstrativ auf seine teuer aussehende Armbanduhr. »Herr Gerlach!«, sagte er mit Leidensmiene. »Es ist jetzt halb sechs. Ich habe zu Hause eine Frau und vier Kinder, die auf mich warten. Außerdem habe ich eigentlich Urlaub.«
    »Auch ich habe Kinder und Urlaub«, fuhr ich ihn an. »Und auch Leas Vater hat ein Kind. Und er würde verdammt gerne wissen, was aus seiner Tochter geworden ist.«
    Plakowsky kaute wieder auf der Unterlippe. »Ich weiß es nicht«, sagte er nach Sekunden. »Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin so was von besoffen gewesen … Ich weiß nicht, was später passiert ist. Kann sein, dass sie geblutet hat. Ja, kann sein, dass sie ein bisschen geblutet hat. Vielleicht ein Kratzer beim Losschneiden …«
    »Sie haben ein Messer benutzt, um das Klebeband durchzuschneiden?«
    »Kann mich nicht erinnern.« Plakowsky sah mich flehend an. »Ehrlich. Ich weiß nur noch, dass wir uns angeschrien haben. Dass sie getobt hat. Und dass sie die Tür zugeknallt hat.«
    »Kommen wir zum nächsten Punkt: Kann jemand bestätigen, dass Sie am Freitagabend zu Hause waren?«
    »Mein Vater. Mit dem habe ich telefoniert. Zweimal. Er lebt in Berlin in einem Altenheim und verblödet mit jedem Tag mehr. Aber das Telefongespräch, das müssten Sie doch leicht nachprüfen können. Und mit Chris habe ich auch telefoniert. Per Handy. Chris Baumer, wir joggen hin und wieder zusammen. Aber am Freitag – ich hatte auf nichts weniger Lust als auf Sport. Ich war krank. Richtig krank.«
    »Die Telefonate haben wir überprüft«, sagte Vangelis neben mir. »Mit Ihrem Vater haben Sie abends um halb acht gesprochen, sieben Minuten lang. Und dann noch einmal gegen halb neun. Diesmal waren es nur zwei Minuten.«
    »Er ist … man kann nichts mehr mit ihm reden. Er hat nicht mal meine Stimme erkannt. Er wusste nicht mal mehr, dass er einen Sohn hat.«
    »Mit Ihrem Sportkameraden haben Sie um kurz nach sechs gesprochen.«
    »Was war später?«, ergriff ich nun wieder die Initiative. »Wo waren Sie nach den Telefonaten?«
    »Zu Hause. Ich wollte keinen Menschen sehen. Verstehen Sie doch, ich war wirklich am Ende! Ich habe meinen persönlichen Weltuntergang vor mir gesehen.«
    »Sie haben Lea also kein Geld gegeben?«
    »Bin ich denn wahnsinnig?«, stieß Plakowsky so heftig hervor, dass Speicheltropfen auf den Tisch sprühten. »Das hätte doch nie aufgehört! Ich wusste mir einfach nicht mehr anders zu helfen. Mir ist nichts anderes eingefallen, als ihr einen gehörigen Schrecken einzujagen. Konnte doch nicht ahnen, dass das so aus dem Ruder läuft. Ich wollte ihr nur eine Lektion erteilen. Angst machen. Weiter nichts.«
    »Was ist denn aus dem Ruder gelaufen?«
    »Na, dass ich … dass ich sie angebrüllt habe und alles.«
    »Was haben Sie zu ihr gesagt, als Sie sie freigelassen haben?«
    »Ich …« Der Lehrer senkte den Blick. Kaute wieder auf der Lippe. »Kann mich nicht mehr erinnern.«
    »Was?«, drängte ich. »Sie können sich sehr gut erinnern!«
    »Herr Gerlach«, mischte sich der Anwalt wieder ein. »Es ist jetzt zwanzig vor sechs. Finden Sie nicht auch, es wäre allmählich …«
    »Nein, das finde ich nicht«, herrschte ich ihn an, ohne den Blick von seinem Mandanten zu wenden.
    »Ich bring dich um«, murmelte der unglücklich. »Ich bring dich um, habe ich gesagt, wenn ich dich noch mal hier sehe. Und ich habe es wohl ziemlich überzeugend rübergebracht. Ich bin noch nie im Leben so wütend auf jemanden gewesen. Ich hätte ihr wirklich den Hals umdrehen können. Ich hätte sie grün und blau schlagen können. Aber ich habe es nicht getan. Mag sein, dass sie ein paar Blutergüsse hatte. Ich bin nicht besonders zimperlich mit ihr umgesprungen. Und später habe ich gedacht, jetzt rennt die schnurstracks zur Polizei, und in einer halben Stunde trägst du Handschellen. Ich habe gewartet. Und gewartet. Die ganze Nacht. Aber sie sind nicht gekommen. Niemand ist gekommen. Das Wochenende war … das längste und hässlichste meines Lebens. Und dann, am Montag, höre ich, Lea ist weg. Verschwunden.« Plakowsky sah kläglich auf. »Vielleicht hat sie auch … noch
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