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Achtzehn: Horror-Novelle

Achtzehn: Horror-Novelle

Titel: Achtzehn: Horror-Novelle
Autoren: Lutz C. Frey
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bemühte, die Elefantenfrau mit großen wissbegierig schimmernden Augen anzuhimmeln, während diese ihre flachen Weisheiten zum Besten gab. Und natürlich hatte es bestens funktioniert, wie immer.
    Martina Kreisig sah sich als die mächtige Hüterin des firmeninternen Geheimwissens. Sie allein war aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung und des von ihr erdachten Ablagesystems in der Lage, eine bestimmte Akte sofort hervorzuzaubern, wenn sie verlangt wurde.
     
    Bloß das ihr Ablagesystem eine mittlere Katastrophe war, und sie ständig nach Zetteln zu Vorgängen suchte, die sie in die falschen Ordner abgeheftet hatte. Nora hatte trotzdem brav die ‘Ah’s’ und ‘Oh’s’ ausgestoßen, die von ihr erwartet wurden, und das Ablagesystem nach und nach in etwas verwandelt, das den Namen ‘System’ auch verdiente. Und natürlich hatte sie es so aussehen lassen, als wäre das alles auf Martinas Mist gewachsen und die dumme Kuh hatte das am Ende sogar selbst geglaubt.
     
    Martina hatte ‘ihren Lieblingslehrling’ Nora sofort in ihr fettes, cholesterinverseuchtes Herz geschlossen. Dabei schien ihr noch nicht einmal vage bewusst zu sein, dass sie Nora als Nachfolgerin in genau dem Job ausbildete, den sie mit so viel Stolz (und weit weniger Geschick) ausübte. Und dass Nora diesen Job sehr wahrscheinlich eines Tages übernehmen würde. Dass Martinas optische und fachliche Unzulänglichkeiten vielleicht genau der Grund waren, warum Herr König eine hübsche, junge Auszubildende in die Firma geholt hatte.
    Clevere Schönheit schlägt dummes Elefantenbaby,
    Nora: Eins, Martina Kreisig: Null.
     
    Ein paar belanglose, träge dahinfließende Stunden später an diesem Sommermorgen ihres ersten Arbeitstages war Er erschien und Alles hatte sich verändert.
     
    Herr König hatte ihnen sein schneidiges "Guten Morgen!" zugerufen, während er mit wiegenden, elastischen Schritten an ihnen vorübergegangen war. Er mochte Anfang Fünfzig sein und in seinem dunkelgrauen Maßanzug und der sorgsam gepflegten Frisur mit den geheimnisvollen grauen Schläfen hätte er ein überragendes Männermodel abgegeben, das war Nora sofort klar. Dann war er mitten in der Bewegung stehen geblieben und hatte zu ihnen hinüber geschaut. Nein, das stimmte nicht, er hatte sie, Nora angeschaut. Einen winzigen Moment hatten seine Augen (sie waren hellgrau und stechend) das neue Gesicht in seinem Vorzimmer mit sanfter Verwirrung gemustert und sich dann aufgeklart.
     
    Erst später wurde Nora klar, dass genau dies der Moment gewesen war, in dem es passiert war. In dem sie beide gewusst hatten, dass sie füreinander bestimmt waren. Für immer.
     
    Er hatte knapp genickt. Hatte nicht gelächelt und ihr nicht die Hand gegeben (Gottlob, sie hasste diese bescheuerte Angewohnheit, die lediglich dazu diente, Bazillen und Keime am Arbeitsplatz zu verbreiten - kein Wunder, dass ständig jemand krank wurde.).
     
    Herr König war einen weiteren Schritt auf sie zu getreten, wobei er die furchtsam zusammenzuckende Martina gänzlich ignoriert hatte - er nannte sie selbstverständlich stets Frau Kreisig, niemals Martina. Nora dagegen nannte er sofort beim Vornamen.
     
    Dann hatte er in die Augen des Mädchens geblickt, lange und fest, mit einer Selbstsicherheit, die ihr glatt den Atem verschlagen hatte.
     
    Während der prüfende Blick seiner grauen Augen langsam über ihr Gesicht geglitten war, als versuche er, sich jede Einzelheit darin einzuprägen, hatte er gesagt:
     
    "Sie sind die Neue, ja?” Nora hatte stumm genickt. “Gut, gut. Willkommen!"
     
    Sie hatte einen Riesenkloß im Hals gehabt, einen von der guten, nein, von der fantastischen Sorte, und ein leises "Danke!" heraus gekrächzt. Zu mehr war sie nicht im Stande gewesen, damals. Um ein Haar wäre sie errötet wie ein Schulmädchen.
     
    Dann hatte er sich abrupt umgedreht und die Tür zu seinem Büro aufgeschlossen, über seine Schulter zu ihr zurückgeblickt und gesagt:
     
    "Gehen Sie Frau Kreisig gut zur Hand." und mit einem kurzen Seitenblick auf Martina, knapp, streng, ohne das geringste Anzeichen von Humor hinzugefügt "Sie kann es brauchen."
    Gott, war sie in diesem Moment dahingeschmolzen!
     
    Nora hatte genickt und die Augen niedergeschlagen. Bis er in seinem Büro verschwunden war und Martina sie unsanft aus ihrer verliebten Träumerei gerissen hatte, indem sie ihr einen hässlichen, fetten Schwabbelarm in die Seite gestoßen hatte.
     
    “ Hey, Mädchen, ist ja gut, er ist weg.”
     
    In
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