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Achtzehn: Horror-Novelle

Achtzehn: Horror-Novelle

Titel: Achtzehn: Horror-Novelle
Autoren: Lutz C. Frey
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diesem Moment war Nora klar gewesen, dass Martina Kreisig tatsächlich weit mehr als eine unnütze, dumme Pute war. Sie war ein Hindernis .
     
    Genauso klar war ihr jedoch auch, dass sie weiter gute Miene zum bösen Spiel machen und die Lehrzeit bei Martina Kreisig ertragen musste, zumindest noch für eine Weile. Aber sie würde diesen Job behalten. Sie hatte begriffen, dass es ihre Bestimmung war, hier zu sein, in der Nähe des Mannes, dem sie all die Jahre versprochen gewesen war.
     
    Sie hatte am nächsten Tag ihren Einstand gefeiert, mit einem riesigen Kuchen, sehr zur Freude von Martina und den anderen Sekretärinnen. Da sie selbst nicht buk (wozu auch?) hatte Nora den Kuchen beim Bäcker besorgt und clevererweise gleich ein ganzes Blech von der selben Sorte. Ihr kleiner Trick war nicht aufgefallen, Martina hatte die Qualität ihres Selbstgebackenen gelobt und sie mehrmals nach dem Rezept gefragt.
     
    Sie hatte auch mehrmals kräftig zugelangt, vier Mal insgesamt (Nora hatte mitgezählt) und sich riesige Stücken des Kuchens in den Mund gestopft, während Nora selbst nur ein halbes Stück gegessen hatte. Ihr schmeckte Kuchen ohnehin nicht besonders, und der Anblick eines Streußels, welches Martina im fettigen Mundwinkel geklebt hatte und sich einfach nicht lösen wollte, hatte ihr den Rest gegeben. Sie hatte sich kurz entschuldigt, war aufs Klo gerannt und hatte ihr halbes Stück Kuchen fein säuberlich in die Schüssel gekotzt.
     
    Selbstverständlich ohne sich zu besudeln. Im Laufe der Jahre hatte sie, was das betraf, eine bemerkenswerte Routine entwickelt, die sogar soweit ging, dass sie stets eine Zahnbürste und etwas Zahnpasta dabei hatte. Nach dem Kotzen und Zähneputzen war es ihr besser gegangen und sie hatte sogar den Rest der erbärmlichen Einstandsparty irgendwie überstanden.
     
    Im Laufe der folgenden Monate hatte sie sich schnell zum Liebling der gesamten Chefetage entwickelt, war stets pünktlich, ging eifrig (aber nicht zu eifrig) an die Arbeit und war ihren Kolleginnen stets hilfsbereit zur Hand. Wenn sie über die platten Scherze der dummen Puten lachte, klang es aufrichtig, genau mit dem richtigen Maß an mädchenhafter Schüchternheit. Mit ehrfürchtiger Miene lauschte sie den vielfältigen Klagen ihrer älteren Kolleginnen, verständnisvoll, mitleidend, aber niemals gönnerhaft: Dass sie an einem Freitag Überstunden machen mussten, ausgerechnet! Dass in dieser Firma offenbar die linke Hand nicht wisse, was sie zuvor der rechten aufgetragen hatte, dass sie völlig unterbezahlt und total überqualifiziert für all den Stress hier waren. Und so weiter und so fort, eine endlose Litanei dummen Geschwätzes.
    Ganz besonders schwer hatte es natürlich die arme Martina, welche schon allein durch die Tatsache, dass sie gewissermaßen im Vorhof zur Hölle saß, mehr gestraft war als alle anderen, was sie merkwürdigerweise mit nicht unbeträchtlichem Stolz zu erfüllen schien. Dem scheinbar gerechten Stolz all jener, die meinen, es im Leben besonders schwer zu haben.
     
    Der Vorhof zur Hölle, das fanden diese Gänse also witzig. Für Nora waren die schallgedämmten Doppeltüren vielmehr das Tor zum Paradies, verlockend, geheimnisvoll und voller segensreicher Gnade...und für sie leider die meiste Zeit verschlossen.
     
    Ja, in ihrer eigenen Vorstellung hatte es Martina Kreisig wohl wirklich nicht leicht mit ihrem Chef. Wenn Herr König sie in sein Zimmer rief, bedeutete das meist nichts Gutes und üblicherweise kam sie bleich und mit gesenktem Kopf aus seinem Büro - mit großer Wahrscheinlichkeit hatte Herr König sie dann ein weiteres Mal auf ihre Fehler hinweisen müssen. Einmal war die Kreisig sogar schluchzend an Nora vorbei gestürmt, in ihren klappernden, nicht zugebundenen Pumps, und erst eine gute Viertelstunde später vom Klo zurückgekehrt. Sie hatte Herrn König die Abrechnung des falschen Projekts übergeben, obwohl sein digitales Memo diesbezüglich völlig unmissverständlich gewesen war.
     
    Und während Nora sie ein wenig später durch die Doppelglastür im Zimmer auf der anderen Seite des Ganges hatte sitzen sehen, einen Becher Kaffee in den zitternden Händen und umringt von den besorgt dreinschauenden Gänsen aus dem Sekretariat, war ihr klar geworden, dass sie Herrn König in diesem Moment so nah wie nie zuvor war.
    Sie waren praktisch im selben Raum, lediglich getrennt durch die lederbezogene Doppeltür zu seinem Büro.
     
    Und Nora fand, dass sie allmählich lange
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