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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig
Autoren: Vanessa Dungs
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praktisch. Ich zog mein Telefon aus der Hosentasche und wählte seine Handynummer.
    Es klingelte zweimal, bevor sich eine mir mittlerweile vertraute Stimme meldete.
    „ Nicholas, sei gegrüßt! Was kann ich für dich tun?“
    „ Ich benötige ein paar Informationen über eine junge Frau.“
    „ Okay, wie gewohnt?“
    „ Ja, ich habe allerdings kein Foto oder dergleichen. Sie heißt Lesley, das ist alles, was ich weiß.“
    Er lachte.
    „ Das ist nicht viel, aber dafür bin ich ja auch zuständig. Sag´ mir wo ich sie finden kann, um den Rest kümmere ich mich dann schon.“
    „ Sie studiert anscheinend am Claire College, zumindest habe ich sie dort gesehen.“
    „ Okay…“, es klang gedehnt. „Ich bin zwar gut, aber nur mit einem Vornamen allein kann auch ich nichts anfangen. Ich muss dann wenigstens wissen, wie sie aussieht.“
    „ Ich weiß.“ Es entstand eine kurze Pause, ehe ich weiter sprach. „Wir treffen uns in einer Stunde am Haupteingang der Claire Universität. Ich besorge dir das Foto.“
    Ich legte auf, ohne auf die Antwort zu warten. Er würde sowieso auftauchen, immerhin ging es um Geld. Ich setzte mich kurzerhand in Bewegung und rannte in die Richtung, in die Lesley verschwunden war. Draußen herrschte ein reges Treiben. Der Tag an der Universität hatte gerade erst begonnen, demnach waren noch einige Studenten zu ihren Vorlesungen unterwegs. Ich ließ meinen Blick über die verschiedenen Gesichter der Sterblichen gleiten, doch ich konnte mein eigentliches Ziel nicht ausmachen. Ich konzentrierte mich auf ihren Duft, vielleicht war hier draußen noch etwas von ihr auszumachen. Die vielen Menschen machten es mir jedoch nicht leicht, genau den Geruch herauszufiltern, den ich suchte. Ich war kurz davor einen Fluch auszustoßen, weil ich wütend auf mich selbst war. Immerhin hatte ich sie bereits in meinen Armen gehalten und dann war ich so bescheuert gewesen, sie einfach wieder gehen zu lassen. Die Stimme in meinem Kopf meldete sich, natürlich nur, um mich daran zu erinnern, dass ich auch nicht mehr hätte tun dürfen. Genau genommen, hätte ich sie noch nicht einmal auffangen dürfen. Ein Bild erschien unweigerlich vor meinem inneren Auge, als ich an unseren Zusammenprall dachte. Die Blätter, die sie bei sich getragen hatte. Ich sah sie erneut vor mir, ich konnte mich daran erinnern, was teilweise darauf gestanden hatte. Texte. Unwichtig. Einen Namen, ich brauchte einen Namen. Irgendetwas mit Professor Cunningham. Philosophie. Oh nein! Philosophie? Die Stimme in meinem Kopf schien mich zu verhöhnen. Sie hatte Recht, das war womöglich das letzte Studienfach, das ich mir ausgesucht hätte. Was soll’s, sagte ich mir. Dann würde es eben Philosophie sein. Ich musste ja nur ein Foto machen und nicht die ganze Zeit in der Vorlesung sein. Mit einem tiefen Seufzer machte ich mich auf den Weg, um herauszufinden wie es sich wohl anfühlen würde ein normaler Student zu sein.
    Der Hörsaal war bereits ordentlich gefüllt, als ich dort ankam. Es war ein gutes Zeichen, denn ich hatte mir sagen lassen, dass die meisten Studenten in Diskussions- und Arbeitsgruppen zusammen hockten und seltener in die eigentlichen Vorlesungen gingen. Es war das erste Mal – das letzte Mal, schrie die Stimme – dass ich überhaupt so einen Raum betreten würde. Ich wollte es so kurz wie möglich machen. Meine Sinne waren sofort auf eine einzige Person eingestellt und unter diesen Voraussetzungen konnte ich Lesley schnell ausmachen. Sie saß in einer der vordersten Reihen und unterhielt sich gerade angeregt mit einem anderen Mädchen, das neben ihr Platz genommen hatte. Es war eine blonde Frau und sie besaß eine relativ schrille Stimme, aber ich blendete sie rasch aus. Sie war in diesem Moment unwichtig. Ich wog eilig meine Möglichkeiten ab: ich konnte mich ebenfalls nach vorne setzen, aber dann lag ich auf dem Präsentierteller, ich konnte auch einfach irgendwo weiter hinten sitzen und warten, bis es vorbei war und Lesley den Raum verlassen würde. Mir gefielen weder Nummer eins, noch Nummer zwei, abgesehen davon, wollte ich mich in etwa fünfundvierzig Minuten mit Toby treffen. Ein weiterer Seufzer entrann meiner Kehle. Ich sog die bereits verbrauchte Luft im Saal ein und im nächsten Augenblick setzte ich mich in Bewegung. Ich nahm zwei Reihen hinter Lesley Platz. Etwas genervt tippte ich eine kurze Nachricht in mein Handy ein und schickte die Info an Toby. Ich konnte schließlich nicht einfach ein Foto von ihr
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