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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig
Autoren: Vanessa Dungs
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unwiderruflich in mein Bewusstsein gebrannt. Ich schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte mich wieder auf das Haus vor mir. Hohe Fenster mit schweren Brokatvorhängen versuchten zu verbergen, was sich im Inneren befand. Die Pracht war jedoch bereits von hier draußen zu erahnen. Mehrere Garagen lagen zu seiner rechten Seite, in denen ohne weiteres fünf Autos Platz fanden. Ich roch frische Politur und Wachs. Alles, was ich sehen konnte machte einen extrem gepflegten Eindruck. Somit war klar, dass einige Angestellte für Lesley Ashton tätig sein mussten, was sich auch mit Tobys Aufzeichnungen deckte. Er hatte vermerkt, dass es einen Butler geben musste, einen Koch, zwei Haushälterinnen und diverse Angestellte, die sich um die Stallungen und die Pferde kümmerten.
    Im Haus selbst hielten sich momentan nur zwei Personen auf und ihrem Duft nach zu urteilen, waren sie schon in der letzteren Dekade ihres Daseins.
    Unbemerkt setzte ich meinen Weg durch die angrenzenden Wälder fort. Die Stallungen lagen etwas abseits des Herrenhauses. Ich konnte die Pferde schon aus großer Entfernung riechen. Es war klüger einen Bogen um die Tiere zu machen, sie würden mich ohnehin schon früh genug wittern. Ich wählte einen unauffälligeren Weg durch dichtes Unterholz, bis ich zu einer großen Koppel kam. Rund ein Dutzend junger Pferde tummelte sich auf der üppig bewachsenen Wiese dahinter. Es waren prächtige Tiere, viele von ihnen englische Vollblüter. Ihren Wert wollte ich mir erst gar nicht vorstellen.
    Die Ställe lagen nicht weit entfernt neben einer anderen Weide. Ich ging schnell weiter und überquerte schnurstracks die nächste Koppel, denn ich hatte mein erhofftes Ziel schon gesichtet.
    Lesley sattelte gerade eine Schimmelstute, die vor einer großen Scheune stand und entspannt den Kopf hängen ließ. Weder das Pferd noch sie schienen zu bemerken, dass sie nun nicht mehr alleine waren.
    In der Ferne hörte ich zwei Männer miteinander sprechen. Es waren anscheinend nur Arbeiter oder Stallburschen, die sich über eine fehlerhafte Futterlieferung unterhielten. Ich kümmerte mich nicht weiter darum und ließ meinen Blick stattdessen wieder zu Lesley gleiten. Ich musste erneut feststellen, wie hübsch sie eigentlich war. Sie trug ein typisches Reiteroutfit, einen hellen eng anliegenden Rolli mit einer passenden Weste darüber und ihre schlanken Beine steckten in einer perfekt sitzenden Hose. Schwarze hohe Stiefel komplettierten ihre Erscheinung, so als wäre sie gerade aus einer Fachzeitschrift für Pferdesport entsprungen.
    „ Entschuldige, bitte…“, rief ich Lesley kurzerhand zu und kletterte dabei bereits über einen der unzähligen Zäune, die die verschiedenen Weiden voneinander trennten.
    Sie zuckte zusammen. „Was machen sie hier?“
    Warum auf einmal so förmlich?
    „ Verzeihung, ich wusste nicht genau, wo ich hier lande. Ich bin durch den Wald da vorne gekommen.“ Ich zeigte zu den riesigen Tannen hinüber, die am Rand der Wiese standen, auf der zurzeit keine Pferde grasten.
    „ Das hier ist Privatbesitz“, sagte sie ungerührt. „Haben sie nicht die Schilder gesehen und die Mauern und hohen Zäune?“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Betreten sie immer abgesperrtes Terrain?“
    „ Und wem gehört dieses wunderschöne Anwesen?“
    Ich überging ihren scharfen Ton und die letzte Aussage einfach. Trotzdem blieb ich etwas auf Abstand, weil ich nicht zu nah an das Tier herantreten wollte.
    „ Der Familie Ashton“, antwortete sie knapp und musterte mich dabei eingehender. „Ich kenne dich doch.“
    Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und stellte sich vor ihr Pferd, das langsam leider unruhiger wurde.
    Ich hoffte, dass sie unser Treffen von heute Morgen meinte.
    „ Der Ritter in der schillernden Rüstung!“
    Ich grinste verschmitzt, in der Hoffnung charmant zu wirken.
    Sie schob eine dunkle Augenbraue nach oben.
    „ Ja, richtig. Mein Retter!“ Es klang missbilligend. „Irgendetwas sagt mir, dass du nicht zufällig hier bist?!“ Sie streichelte über die Nüstern ihrer Stute, ohne den Blick von mir abzuwenden. Das Tier tänzelte mittlerweile hin und her und Lesley versuchte sie zu beruhigen. In Anbetracht der Lage würde es schwieriger werden, als sie es vermutlich annahm.
    „ Scht, Snow. Alles in Ordnung, meine Süße.“
    „ Ich fürchte dein Pferd hat Angst vor mir“, stellte ich fest.
    Irritiert starrte sie mich an.
    „ Sie merkt wahrscheinlich, dass du kein Tierliebhaber
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