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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett!
Autoren: David Baddiel
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wunderlicher alter Seebär, sagte mir, er hätte neulich »einen Kerl mit einer Lokführermütze gesehen, der ein Klo durch die Gegend trug«, weshalb er ihn für einen Arbeiter vom Themse-Wasserschutz hielt.
    Ich nehme an, Nick hat den Motor in Gang gesetzt, was mir einen dicken Strich durch die Rechnung macht. Denn irgendwie glaube ich nicht daran, daß Nick, seine Silhouette vor dem enormen pazifischen Mond, die schaukelnden Dschunken Djakartas um ihn herum und den sich mit gebratenem Papageifischduft vermischenden Rauch von Wanderlusts Schornstein in der Nase, plötzlich denkt: »Moment mal — ich hab ja völlig vergessen, zu Ben zu gehen und ihn wegen Fran zur Rede zu stellen! Achternschiff ahoi!« (Oder wie es heißt.) Der leichte Schmerz über verlorene Freundschaft vermischt sich mit dem viel größeren, daß ich in der Liebe nicht den kleinsten Schritt weiter bin: Das nächste Mal, wenn mir eine heimtückische Intrige einfällt, sehe ich zu, daß mir jemand gewiefteres vorher ein paar Stunden gibt.
    Ich reiße die Bettdecke von meinem geschundenen Körper. Mir ist entsetzlich heiß, aber meine verkorkste Körperuhr bringt auch meine Körpertemperatur durcheinander. Mir ist glühend heiß und gleichzeitig klamm und kalt; ich hab bloß Sekunden unbedeckt dagelegen, und schon fühlt sich der Schweiß, der mir den Rücken runterrinnt, wie Eiswasser an.
    Legen Sie diese Schlaflosigkeit unter »Ungelöst« ab. Ich weiß nicht, ob ich das Ganze lieber vergessen soll oder hoffen, daß Nick nicht gen Osten gefahren ist und die Sache doch noch gut ausgeht — oder schlecht, wenn Sie so wollen —, oder, die dritte und abscheulichste Alternative, soll ich selbst zu Alice gehen und ihr von der Geschichte mit Fran erzählen, was allerdings die unglücklichste Lösung wäre. Denn so wie ich die Sache geplant hatte, konnte ich meine Hände in Unschuld waschen. In meinem Szenario zog Nick von ganz allein seine Schlüsse, und keine noch so großen Einwände von mir hätten ihn davon abgehalten, loszulaufen und die Wahrheit zu verkünden. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll. Mir schwirrt der Kopf, und außerdem bin ich in der Schlaftabletten-Nullzone, jener Nachtzeit, zu der man genau weiß, daß an Schlaf nicht mehr zu denken, es aber zu spät ist, eine Pille zu schlucken, weil man sie erstens nicht mehr abschlafen kann und zweitens keine Lust hat, bis zum frühen Abend des nächsten Tags mit Wolle im Schädel rumzulaufen.
    Zum Teufel. Was soll’s. Besser als überhaupt nicht schlafen! Ich schleppe mich aus dem Bett zu meinem Schreibtisch. Als ich einen Moment davor stehe, sehe ich durch einen Spalt in den Vorhängen nicht die Sonne aufgehen, nur daß sie aufgegangen ist, auf die A-priori-Art, wie sie es in London eben tut, wo es keinen Horizont gibt und keine Berge in der Ferne, vor denen sie aufsteigen könnte, weshalb es so was wie einen Londoner Sonnenaufgang nicht gibt, jedenfalls nicht das, was Stammesmänner in der Serengeti, Bauern in den Yorkshire-Tälern oder Nick, wenn er in der indonesischen Morgendämmerung auf seinem Boot steht, unter Sonnenaufgang verstehen. Immer noch in den hellen blauen Himmel guckend - heute wird’s bestimmt wieder heiß -, fahre ich mit der Hand in die zweite Schublade auf der Suche nach Temazepam, der Pille mit der kürzesten Wirkzeit, und fühle, wie meine Finger in was Warmes, Weiches und Bewegliches sinken. Die Gedächtniszellen in meinem angeknacksten Hirn arbeiten langsam. Ehe ich zwei und zwei zusammenzähle, habe ich mir die Hand schon vors Gesicht gehalten, womit ich mir die Möglichkeit nehme, ins Bad zu rennen, zu schreien und durch die Nasenlöcher zu kotzen, aber immerhin reiße ich das Gesicht schnell von meiner mit Maden und verwesenden Rattenstücken bedeckten Hand weg.

    »Hallo«, sagt Alice und macht die Tür auf, nachdem ich ihr von außen zugerufen habe, daß ich’s bin. »Wo kommst du denn her?« Sie ist nicht für Besuch gekleidet, hat das Haar nicht wie sonst hochgesteckt, und als sie sich vom Treppenabsatz zu mir runterbeugt, erhasche ich durch den tiefen V-Ausschnitt ihres grauen Mohairpullovers einen Blick auf den üppigen schweren Schwung ihrer Brüste und die helle Bikinilinie, da, wo kein Büstenhalter ist.
    »Ach, ich kam gerade vorbei«, sage ich und will es nicht fassen, daß ich bei all meinen Proben für diesen Auftritt vergessen habe, mir einen Vorwand auszudenken, warum ich plötzlich auftauche. Ich küsse ihre hingehaltene Wange, und ihre
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