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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett!
Autoren: David Baddiel
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ihre Schwester.
    »Ich werde es Ben nicht erzählen«, sagt sie, »wenn du es nicht willst... «
    »Das mußt du entscheiden.« Ich versuche verzweifelt, diesen Moment zu speichern, diese vier oder fünf Sekunden vollkommenen Einsseins, so wie ein leidenschaftlicher Gärtner auf dem Totenbett vielleicht den Duft seiner Lieblingsrose einsaugt. Jetzt habe ich doch noch meine Kerbe in Alices Leben gemacht. Dann ziehe ich meine Hand weg, lasse sie an mir herunterfallen. Die Zeit ist um.
    »Adieu, Alice«, sage ich und gehe aus der Tür. Nick scheint fort zu sein. Aber als ich auf die Straße trete, sehe ich ihn, den Rücken an die Gartenmauer gelehnt, auf dem Bürgersteig sitzen.
    »Kommst du mit nach Hause?«
    Er nickt, steht auf, klopft sich Schilf- und Schlammreste ab und sagt: »Vielleicht schaffen wir’s noch zur Sportschau.«

25

    Der Mann mit dem dichten Haar und der dicken Brille neben mir spricht mich an, aber wegen der Musik kann ich ihn nicht verstehen.
    »Wie bitte?« frage ich und pule mir die winzigen Kopfhörer aus den Ohren.
    »Zu was sind Sie unterwegs?« sagt er. »Wie diese schrecklichen Zollbeamten auf dem JFK immer sagen: Geschäft oder Vergnügen?«
    Er lacht, ein pfeifendes Akkordeonlachen, und zeigt mir die unzähligen Plomben in seinem Mund. Ich gucke wieder auf den kleinen, im Vordersitz eingelassenen Schirm, auf dem ein Gerangel im Stil der »Pleiten und Pannen«-Videos läuft - Säuglinge purzeln von Babystühlen, Leute rasen zusammen, Amateurtänzer fallen auf die Nase. Genau das, was man sehen will, wenn man sich für den Start einstimmt. Eine kurze Erinnerung an die Fehlbarkeit des Menschen, eine kleine Gedächtnisauffrischung, für den Fall, daß man’s vergessen hat, wie die kleinsten Unternehmungen - die Straße langgehen, auf einem Stuhl sitzen - in einer Katastrophe enden können. Davon, in einer enormen Zigarrenkiste in die Wolken aufzusteigen, spreche ich nicht, o nein. Legen wir den Gurt um, und schicken wir dies kleine Abenteuer hier beim Fernsehen ein.
    Ich drehe mich wieder zu meinem Reisegefährten um. Im Grunde keine schlechte Frage. Beides, glaube ich. Ich bin aufs heikle und oft verheerende Geschäft des Vergnügens aus.
    »Ich bin unterwegs zu Dina«, sage ich und hoffe, daß er bei dieser irgendwie exzentrischen Antwort Angst kriegt, ich sei verrückt, und mich in Ruhe läßt, aber die aufheulenden Motoren, als das Flugzeug auf die Startbahn einschwenkt, überdröhnen mich.
    »Was?« sagt er, als es ihn in den Sitz zurückwirft.
    »Ich bin unterwegs zu Dina.« Und vielleicht jenen verlorenen fünf Stunden.
    »Wer ist Dina?« fragt er, gerade als mein Magen das Abheben in die Luft registriert, und mir fällt ein, daß übertriebene Offenherzigkeit noch keinen Amerikaner abgeschreckt hat. Ich schüttele den Kopf, signalisiere, daß das eine lange Geschichte ist. Er zuckt die Achseln.
    »Hätten Sie was dagegen«, sagt er und zeigt auf meinen Schoß, »wenn ich mir das da nehme?«
    In der Zellophantasche, aus der ich die Kopfhörer genommen habe, ist ein kleines Plastiketui. Ich öffne es und ziehe eine Schlafbrille raus, ganz schwarz und straff und nagelneu, und zwei Ohrstöpsel aus Schaumgummi.
    »Wissen Sie, Louise — meine Frau —, sie kann so schlecht schlafen, wenn irgendwo das kleinste Licht ist, deswegen sehe ich immer zu, daß ich ihr ein paar Schlafbrillen aus dem Flugzeug stibitze.«
    Ich gucke ihn an; hinter der feisten Leutseligkeit seines Gesichts sehe ich eine gewisse Erschöpfung, zweifellos das Ergebnis so vieler mit Louise durchwachter Nächte. Ich werfe noch einen kurzen Blick auf meinen Schoß, dann sehe ich zum Fenster hinaus. Da ist sie. Die Antarktis des Himmels.
    »Na klar«, sage ich und reiche ihm das ganze Paket.
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