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67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

Titel: 67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen
Autoren: Karl May
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Mama, das ist meine gute, gute, einzige Mama! O Gott, o Gott.“
    So kniete er vor dem offenen Kasten, die Brieftasche und das Bild in der Hand. Sein Gesicht war verklärt von einem Entzücken, welches eben unbeschreiblich ist. Anton störte ihn nicht, meinte aber endlich doch:
    „Du kennst also diese Frau?“
    „Freilich, freilich kenne ich sie! Oh, warum sollte ich sie nicht kennen! Kann ein Kind jemals das Angesicht seiner Mutter vergessen!“
    „Also wirklich deine Mutter ist's?“
    „Ja. Ich hab sie so lange, lange nicht gesehen. Man sagte mir, sie sei zum lieben Gott gegangen. Sie ist tot. Aber diese Augen, welche mich einst so herzinnig anleuchteten, diese Lippen, welche mich bei den süßesten Namen riefen: ich hab sie gesehen bei Tag und bei Nacht, im Wachen und im Traume. Sie ist's; sie ist's; ja, sie ist's!“
    „Wie aber kommt das Bild zum Müller?“
    „So hat er wohl die ganze Tasche gestohlen mitsamt den Dokumenten.“
    „Ganz gewiß.“
    „Dann mußt ihn anzeigen.“
    „Kann ich's ihm beweisen?“
    „Du mußt jemand suchen, der die Dokumente lesen kann.“
    „Ob's hier so einen gibt!“
    „Zeig sie nur einem Advokaten! Der wird schon bereits wissen, was damit zu machen ist.“
    „So muß ich sie also mitnehmen.“
    „Freilich nimmst sie mit! Dagegen kann ich halt gar nix haben. Du hast ja deine Mutter erkannt; das gehört doch ganz gewiß dem Sohn!“
    „Ja, ich nehm die Brieftasche mit. Mag's der Müller immerhin merken.“
    „Mag er's! Wann sie dir nicht gehört, kannst sie ihm ja wiedersenden, ohne daß er's erfährt, wer sie ihm heut genommen hat. Mach den Stuhl wieder zu, und steck die Tasche ein! Wir wollen schaun, daß wir wieder von hier fortkommen.“
    „Den Schlüssel lassen wir da. Wir wollen ihn wo hinlegen, aber wo? Der Müller muß meinen, daß er ihn hier verloren hat.“
    „Schau, die Diele ist sehr alt, und hier in der Mauern ist ein Loch hineingefault. Dahinein legen wir ihn.“
    „Gut. Und den Topf stellen wir auf den Polsterstuhl.“
    „Schön. Er wird sich freuen, wann er diesen Schatz hier öffnet.“
    Der Fex steckte die Brieftasche ein, verschloß den Stuhlkasten und legte den Schlüssel in das ausgefaulte Loch. Sodann hoben beide den großen Topf auf den Polsterstuhl. Nun trat der Anton ans Fenster.
    „Willst etwa da hinaus?“
    „Ja freilich.“
    „Nein, das tun wir nicht.“
    „Wir müssen doch wieder da hinaus, wo wir hereingekommen sind. Oder nicht?“
    „Nein. Schau, wann wir zum Fenster hinaussteigen, so können wir die Fenster und den Laden von draußen nicht zumachen. Wann der Müllern nach Hause kommt und ihm alles so verkehrt gegangen ist, wird er Verdacht haben und überall nachschauen, ob wer in die Stuben hereingekonnt hat. Wann dann hernach die Fensterflügel und der Laden nicht verschlossen sind, wird er gleich merken, woher das Lüfterl geweht hat. Nein. Die müssen wir zumachen.“
    „Wie aber kommen wir fort?“
    „Zur Hintertür hinaus. Die versteh ich von draußen zuzumachen.“
    „Aber dann steht ja hier die Stubentüren offen, die er vorhin als er gangen ist, verschlossen hat!“
    „Was bist so sehr dumm! Diese Stubentür hat gar keinen Schlüssel, sondern sie wird von einem Schraubendrehling draußen aufgemacht, den man wie einen Schlüssel ab- und anstecken kann. Der gilt auch gleich als Drücker, wann er ansteckt. Weißt, so ist's sehr oft in alten Häusern.“
    „Weiß schon. Also diese Türen können wir von innen öffnen und von außen wieder zudrücken?“
    „Ja. Jetzt mach ich zu.“
    Er verschloß den Fensterflügel und den Laden und löschte das Licht aus. Dann gingen sie hinaus in den Hausflur. Die Stubentür ließ sich sehr leicht von draußen in das Schloß drücken. Die Hintertür, welche in den Hof führte, war zugeriegelt. Der Fex machte sie auf und verschloß sie, nachdem sie leise hinaus in den Hof getreten waren, dadurch, daß er mit der Klinge seines Messers durch eine ziemlich breite Bretterspalte hereinlangte. Aus dem Hof gelangten sie einfach dadurch, daß sie über die Mauer kletterten, ins Freie.
    Es regnete noch immer, wenn auch nicht mehr so sehr als vorher. Die Wolken begannen sich bereits zu lichten.
    „Was tun wir nun?“ fragte der Krickel-Anton.
    „Für mich ist gesorgt; fertig sind wir hier. Aber du, wo wirst nun heut nacht schlafen?“
    „Darüber laß dir keine grauen Haare wachsen, Fex. Ich hab mein gut Logement in der Stadt; da kann ich kommen und gehen, wann ich will.“
    „Auch noch
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