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67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

Titel: 67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen
Autoren: Karl May
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so spät?“
    „Zu jeder Zeit. Wannst mich nicht mehr brauchst, werd ich zu dem Skat-Matthes gehen. Ich möcht doch gern erfahren, wie die Sach ausgefallen ist.“
    „So geh. Morgen werden wir uns wohl wiedersehn.“
    Sie nahmen Abschied. Der Anton ging nach der Stadt und der Fex nach der Fähre, um den Wachsleinensack zu holen; er brauchte ihn, weil er abermals die Violine des Konzertmeisters stibitzen wollte. Die durfte ja nicht naß werden, und so mußte er sie und die Noten in den Sack stecken. –
    Indessen war die ‚Zaubergeschichte‘ am Scheidewege vor sich gegangen. Um ja die richtige Minute nicht zu versäumen, hatte der Fingerl-Franz bereits lange vor der bestimmten Zeit seine Einleitungen getroffen und dann trotz des strömenden Regens im freien Feld den Stundenschlag abgewartet. Er war infolgedessen bis auf die Haut naß. Daraus aber machte er, der vor Gesundheit strotzende Mensch, sich gar nichts. Als es in der Stadt schlug, begab er sich mit dem Schubkarren an Ort und Stelle, warf den Schlüssel zur Erde und sagte laut die Zauberformel:
    „Schlüssel, Schlüssel, klinglingling,
Mist und Dünger aus der Taschen!“ – – –
    Eigentlich waren noch zwei Zeilen zu sprechen; aber als er während der letzten Worte in die Taschen griff, fühlte er, daß der Inhalt derselben durch den Regen seine Konsistenz verloren hatte und in einen unbeschreiblichen Zustand geraten war.
    „Donnerwetter!“ fluchte er. „Wie wird mein Sonntagshabiterl ausschaun, wann ich's bei Licht beseh, und das Bettucherl dazu! Und meine zwei Händen – Verteuxeli! Na, so einen Strammantsch hat's auch noch nicht gegeben! Aber ausgeführt wird's dennoch, da ich's einmal angfangen hab!“
    Er sagte also seine zwei Zeilen vollends her und entledigte sich dabei, so gut oder so schlecht es gehen wollte, des felddüngenden Inhaltes aller seiner Taschen. Dann sprang er über den Graben hinüber. Vom Regen war der Boden schlüpfrig geworden; Franz glitt aus und stürzte, so lang er war, in den Graben hinein.
    Mit einem lauten Fluch raffte er sich wieder heraus und fuhr hinter das Gebüsch. Als er eine kurze Zeit dort gestanden hatte, hörte er Schritte. Er sah trotz des Regens eine lange, weiße Gestalt, welche von der Mühle her näher kam, am Kreuzweg stehen blieb und dort nach dem Karren tastete, den er dort stehengelassen hatte. Sie fand ihn und entfernte sich mit demselben in der Richtung, aus welcher sie gekommen war.
    „Das geht gut; das trifft schön zu“, sagte er zu sich selbst. „Jetzt nun wird sie die Sauen aufladen und herbeibringen. Bis dahin aber muß ich warten. Im Stehen tun mir die Beine weh; naß und voller Dreck bin ich einmal schon, so ist's ganz gleich; ich setz mich nieder.“
    Er setzte sich auf den aufgeweichten, lehmigen Grasboden und ließ das Wasser auf sich niederregnen und unten wieder ablaufen.
    Nach einer Viertelstunde ungefähr hörte er das Rad des Schiebebockes bereits von weitem knarren.
    „Holla, da kommt die Spitzbübin“, murmelte er befriedigt. „Der Wurzelsepp ist doch ein sehr gescheiter Kerl; er hat mich nicht getäuscht. Jetzt nun über den Graben hinüber, aber daß ich nicht abermals hineinfall! Nasser kann ich zwar nimmer werden, aber so ein Bad ist doch nicht angenehm.“
    Er sprang hinüber und wartete mitten auf dem Weg. Die Käthe kam bei ihm an und setzte den Karren nieder.
    „Komm!“ sagte er in gebieterischem Ton.
    Sofort begann der Müller unter seinem Bettuch zu grunzen und die Käthe nahm den Karren wieder auf. Der Franz voran, setzte sich der wunderliche Zug in Bewegung.
    Es war für die Magd keine Kleinigkeit, in strömendem Regen und bei dem aufgeweichten Zustand des Weges den schweren Müller vor sich herzuschieben. Aber sie war stark, und die Hoffnung auf den Schatz verdoppelte ihre Kräfte. Sie kam in Schweiß und pustete laut wie eine Lokomotive, aber sie setzte nicht ein einziges Mal nieder, um einen Augenblick lang auszuruhen.
    Es war eigentlich ein Glück, daß es in dieser Weise regnete; da gab es keinen Menschen, dem man begegnet wäre. Der Müller grunzte nach Kräften, und die Fuhre verlief ohne alle Störung.
    Nur als der voranschreitende Franz in die Straße der Stadt einbog und sogar dann in den offenstehenden Flur des Gasthofes einlenkte, fragte sich die Käthe leise, ob sie ihm jetzt noch folgen solle. Aber es handelte sich um den Schatz. Die Stadt und der Gasthof waren jedenfalls nur eine leere Spiegelung, durch welche die Geister sie irre machen
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