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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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musste er sich rechts und links in den Türrahmen stemmen und seine Beine anziehen. Die Kiste glitt unter ihm durch und krachte ungebremst gegen die Pilotensitze. Holtz wurde nach vorn geschleudert, während Leonie ihre ganze Kraft einsetzte, um die Maschine aus dem für sie unerklärlichen Trudeln herauszuholen.
    Und sie schaffte es! Mit viel Glück und Können stabilisierte sie das Flugzeug. Der Bug ging wieder hoch.
    Hasso ließ seine Beine aufatmend zu Boden. Sein Blick traf Holtz, der sich umgedreht hatte und die offene, leere Kiste anstarrte. Er sagte irgendetwas, das Hasso von Traven nicht begriff. Denn mit einem Male fühlte er sich, als wäre er der Welt entrückt.
    Sie hatten es nicht gleich bemerkt, aber da draußen war es nicht länger Nacht! Sondern Tag!
    Ein Tag jedoch, der kaum heller war als eine Vollmondnacht. Der verwaschene Fleck, der am Himmel stand, war aber nicht der Mond, sondern unverkennbar die Sonne, verborgen hinter schwarzen Wolken. Nein, keine Wolken - Ruß! In feinen Partikeln prasselte er auf die Flugzeugscheiben.
    Holtz bemerkte Hassos Blick und wandte sich um. »Was zum Teufel…«, entfuhr es ihm fassungslos.
    ***
    März 2526
    » Wie nennt man das?«, fragte Sepp. »Tauchanzug?« Er betastete interessiert das Kleidungsstück. Es bestand aus vielfach geflicktem schwarzen Gummi.
    »Man zieht ihn an, damit man nicht nass wird und friert.« Der dürre Retrologe, dem das Lädchen in der Alten Taratzengasse gehörte, wo Sepp eigentlich nur ein Seil für den Widerhaken hatte kaufen wollen, rückte an dem metallenen Brillengestell, das seine Himmelfahrtsnase zierte. »Es ist ein Tauchanzug für Kinder.«
    »Ach«, sagte Sepp leicht eingeschnappt. »Schließt Ihr das daraus, weil er so klein ist?« Auf bestimmte Bemerkungen reagierte er schon mal allergisch, speziell dann, wenn sie sich um Größen drehten.
    »Aber nein.« Der Retrologe schüttelte so heftig den Kopf, dass das Gestell auf seiner Nase wackelte. »Mein Wissen basiert darauf, dass er zusammen mit Flossen und einer Unterwasserbrille in einem Behälter mit der Aufschrift ›Kinder-Tauchanzug‹ gefunden wurde.«
    Die Flossen waren aus knallrotem Gummi und sahen aus wie Entenfüße. Der rechten Flosse fehlte ein Stück. Jemand hatte es abgebissen. Ein Shargator? Ein Leukomorph? Sepp schüttelte sich. »Nun gut.« Er nickte. »Was wollt Ihr für den Krempel haben, guter Mann?« Waren herunterzumachen, bevor man auf sie bot, war eine alte Schweizer Kaufmannstaktik.
    »Siebzehn Kroyten.«
    »Siebzehn? Ihr beraubt mich.« Sepp legte die Münzen auf den Tisch und verschwand mit den Neuerwerbungen in einer Umkleidekabine.
    Wenige Minuten später trat er in Stiefeln und seinem neuen Outfit ins Freie: die Flossen und die Unterwasserbrille an der einen, den Jutesack mit seinem alten Zeug sowie ein Seil an der anderen Hand. Dass der Retrologe die Tür hinter ihm zumachte und das Licht im Laden löschte, war Sepp recht, denn er wollte in diesem komischen Aufzug nicht gesehen werden.
    Im Dunkel der Nacht huschte er durch die Gassen und kehrte zur inzwischen verwaisten Hafenpromenade zurück. Wo sie begann, führte eine schiefe Steintreppe zum Kai hinab.
    Dort standen mehrere Fässer, denen Sepp schon vor seinem Einkaufsbummel die Aufwartung gemacht hatte. Ihrer salzigen Ausdünstung zufolge enthielten sie Pökelfleisch. Sepp nahm an, dass jemand sie hier deponiert hatte, um sie einem Schiffer zu verkaufen, der Smörebröd in den nächsten Tagen ansteuerte.
    Im Schatten dieser Fässer hatte Sepp den Rest der Dinge deponiert, die er für sein tollkühnes Vorhaben brauchte: die rosa Plastikwanne, das abgebrochene Paddel und den eisernen Widerhaken, an dem er jetzt das Seil befestigte.
    Sepp nahm Platz und tauschte seine Stiefel gegen die Flossen aus. Im Hintergrund dümpelte die Karavelle. Sie hatte sich bisher keinen Meter von der Stelle gerührt. Dass der Wind ihre Takelage nicht bewegte, war ihm ebenso unheimlich wie der Fakt, dass das Schiff nur halb stofflich wirkte - wie ein Trugbild.
    Lag es in Wirklichkeit gar nicht im Smörebröder Hafen? Kreuzte es vielleicht in finsterer Nacht auf einem fremden Meer, weil sein Kapitän einen Pakt mit Orguudoo geschlossen hatte? War das, was er hier sah, nur die Spiegelung der echten Karavelle?
    Sepp wusste, dass es in gewissen Gegenden zu solchen Phänomenen kam. Manchmal sahen Luftspiegelungen absolut solide aus. Nun… er würde es herausfinden. Fand der Haken keinen Halt, würde er eben wieder
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