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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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befand.
    »Invasion!«, schrie Sepp, damit man nicht versehentlich ihn ergriff. »Fremde Truppen sind in der Stadt! Sie kommen vom Geisterschiff!« Er deutete hinter sich. Die Gardisten blieben stehen und zogen blank. Das Stichwort »Geisterschiff« tat seine Wirkung.
    »Stehen bleiben!«, brüllte der Hauptmann den schemenhaften Fremden entgegen. Ein anderer zückte eine Pfeife und pfiff Alarm.
    Die Schatten ließen sich nicht aufhalten. Als Sepp sich umschaute, wurde der Hauptmann gerade zur Statue. Seine Leute wichen zurück und stießen panische Laute aus. Die Schatten folgten ihnen und erwischten einen nach dem anderen. Wieder hatte Sepp den Eindruck, sie danach deutlicher, körperlicher zu sehen. Sie trugen altertümliche Gewänder, einer von ihnen sogar eine Rüstung! Eine der Gestalten war über zwei Meter groß. Und eine andere schien gar eine Frau zu sein!
    Sepp hielt sich nicht mit weiteren Betrachtungen auf. Er bog schnaufend in eine Gasse ein und schlüpfte blitzschnell in seine Stiefel; dann wetzte er in die Richtung, in der er die Taverne »Zum Glatze« vermutete.
    Angesichts des Grauens beseelte ihn nur ein Gedanke: Er musste Ole Rotbaad und seine Halsabschneider alarmieren. Biedere Dorfgardisten hatten diesem Feind nichts entgegenzusetzen. Wenn nicht bald stärkere Geschütze aufgefahren wurden, war Smörebröd verloren.
    Was sich hier abspielte, überstieg Sepp Nüsslis Fassungsvermögen. Wer übers Wasser laufen konnte und seinen Gegner nur zu berühren brauchte, um ihn auszuschalten, musste mit den dunklen Mächten Orguudoos im Bunde sein.
    ***
    Beim nächsten Blick, den Sepp nach hinten warf, stand er schon vor der Schänke und sah, dass mehrere Statuen seinen Weg säumten: Jeder Bürger, der aufgrund seiner Alarmschreie aus einem Haus getreten war, stand in grotesker Haltung auf dem Gehsteig, die Arme ausgebreitet, den Mund verblüfft oder zu einem Schrei geöffnet.
    »He, was ist da draußen los?«, fauchte Rotbaad, als Sepp die Tür aufstieß und ein kalter Hauch sein Haar zerzauste. In der Kaschemme herrschte ein schummriges Zwielicht, sodass Sepp schon am Tresen vorbei gefegt war, bevor der Freibeuter auch nur ahnte, wer da eingetreten war. Sein heiseres Gebrüll ließ einen Matrosen namens Einar Einauge zur Tür hechten, um sie zu schließen.
    »Invasion!«, krähte Sepp. »Fremde Truppen sind in der Stadt und töten jeden, dem sie begegnen!« Er erspähte Blondyne an einem Tisch im Hintergrund, wo sie im Schein einer Kerze ein nach Keller riechendes Buch von Uwe Anton las. Sepp atmete auf. Er packte ihre Hand und riss sie von dem Stuhl herunter.
    Während sie einen erschreckten Quietscher machte, wurde die Tür wieder aufgestoßen und die ersten Verfolger wälzten sich in die Gaststube. Sie nahmen keine Rücksicht auf Einar Einauge: Der erste Schatten - der Zwei-Meter-Mann - fegte ihn mit einer Handbewegung beiseite. Käpt'n Rotbaad und sein Tross sahen gar nicht, dass der zu Boden sinkende Leichnam nun aus Stein bestand.
    Rotbaad blaffte die Eindringlinge an. Er konnte es ums Verrecken nicht ausstehen, wenn Fremde in sein Hauptquartier kamen und seine Leute kaltmachten.
    »Gütiger Kristian«, murmelte Sepp. Er hielt Blondyne fest, die erschreckt die Augen aufriss. Der zweite Freibeuter - der Wachtposten, der tags zuvor an der Reling der Duopfa gestanden hatte - trat den finsteren Gestalten mit gezücktem Säbel in den Weg und teilte sogleich Einauges Schicksal.
    Dies versetzte Rotbaad dermaßen in Rage, dass er vom Hocker sprang, seinen Säbel zog und »Metzelt sie nieder!« dröhnte. Sekunden später prasselten Humpen, Flaschen, Aschenbecher, Kerzenleuchter und Hocker auf die Schatten ein. Eigenartigerweise taten sie ihnen nicht weh. Sie schienen sogar durch sie hindurch zu gehen.
    Dass Rotbaads Leute nicht zu den Hellsten zählten, erkannte Sepp daran, dass sie aus diesem Phänomen keine Lehre zogen. Im Gegenteil: Sie brüllten auf, zogen Säbel und Messer und warfen sich den Gestalten entgegen.
    Es knirschte und krachte. Was mit ihnen geschah, war aus der Nähe betrachtet so gespenstisch, dass Sepps Haare sich sträubten. Blondyne klammerte sich fassungslos an seinen Arm. Dann wollte sie gar ihren Säbel ziehen, doch Sepp zischte: »Das sind keine Menschen! Es sind Ausgeburten der Unterwelt! Wir haben keine Chance! Wo ist der Hinterausgang?«
    Ratz stand in versteinerter Form vor dem Tresen, der marmorne Wirt hinter ihm, eine schäumende Flasche in der Hand. Ole Rotbaad lebte noch; er
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