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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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bitte?«, fragte Blondyne.
    »Ähm…« Sepp suchte nach Worten. Dass er ihre Frage nicht beantworten brauchte, lag daran, dass in diesem Moment drüben beim Schiff Bewegung entstand.
    Die neun Schatten! Sie waren tatsächlich an Bord zurückgekehrt - und nun hatten sie ihn erneut gewittert! Aber seltsam; jetzt sahen wie wieder so nebelhaft aus wie anfangs, als sie zum ersten Mal an Land gegangen waren.
    Als hätten sie die Seelen an das Schiff weitergegeben , fuhr es Sepp durch den Kopf.
    »Sie kommen her!« Blondynes entsetztes Hauchen riss ihn aus seinen Gedanken.
    Sepp Nüssli wollte nicht als Marmorstatue enden. Gab es denn keine Möglichkeit, den Schatten zu entkommen?
    Sie laufen übers Wasser , fiel es ihm ein. Und: Das bedeutet, dass sie nicht untertauchen können! Vielleicht…
    Er hatte keine Wahl: Er musste alles auf diese eine Karte setzen. An Land würden sie ihn früher oder später aufspüren.
    »Vertrau mir«, raunte er Blondyne zu. Er packte den Widerhaken, der bei seinen Utensilien lag, und schlug ihn in ein Pökelfleischfass. Dann band er das Ende des Seils an seine und Blondynes Füße und schnappte sich die rosa Wanne.
    Blondyne musterte ihn, als sei ihr ein Verdacht gekommen, was er vorhatte. Dann schaute sie wieder zum Schiff hinüber, wo sich die Schatten unaufhaltsam näherten. Die Hälfte des Weges hatten sie schon hinter sich gebracht!
    Sepp kippte das Pökelfleischfass um und rollte es an den Rand des Kais. Blondyne hüpfte, auf Wudan vertrauend, mit Sepp im Takt der Wasserlinie entgegen. Dort schauten sie sich an, und sie fragte: »Kommt jetzt das, was ich befürchte?«
    Sepp nickte. »Ich würd's dir ja erklären, aber wir haben keine Zeit. Hol tief Luft und mach den Mund zu.«
    Blondyne tat, wie ihr geheißen. Sepp zählte bis drei. Dann stieß er das Fass ins Hafenbecken. Platsch. Aus dem Fass entwich Luft; es trudelte dem Grund entgegen und zog Sepp und Blondyne, die synchron sprangen, hinter sich her, bis es auf dem Grund aufschlug.
    Das Wasser war eiskalt. Doch Sepp dachte: Lieber kalte Glieder als ein Herz aus Stein. Da er die rosa Wanne an ihren Henkeln über sich und Blondyne hielt, verblieb in ihrem Inneren genügend Luft. Ihre Köpfe wurden wie unter einer Tauchglocke mit Sauerstoff versorgt. Somit waren sie für die Schatten unerreichbar. So lange jedenfalls, wie die Luft zum Atmen reichte.
    Danach würden sie elendiglich ersticken.
    Sepp zweifelte plötzlich, ob es wirklich ein so guter Plan war…
    ***
    Endlose Minuten vergingen, in denen nichts passierte. Es war dunkel unter der Tauchglocke.
    Sepp hörte Blondyne atmen. Sein Herz tuckerte rasend schnell. Um sich zu beruhigen, flüsterte er etwas, das er von seiner Mutter gelernt hatte - ein Mantra, das er immer dann aufsagen sollte, wenn er Angst hatte: »Du bist schön. Alle lieben dich.«
    »Wirklich?«, erwiderte Blondyne unverhofft. »Oh, Sepp, ich wusste nicht, dass du…« Plötzlich waren ihre Lippen auf seinem Mund. Sepp empfand ein merkwürdiges Ziehen in den Lenden - doch am meisten erstaunte ihn, dass er plötzlich ihr Gesicht sehen konnte.
    Wie das? Wo war die Dunkelheit geblieben? In diesem Moment fragte Blondyne: »Was ist das für ein rötliches Licht? Wo kommt es her?«
    Das hätte Sepp auch gern gewusst. Das Licht war zwar nicht so hell wie die Sonne, aber hell genug. Und es schien zu flackern.
    In Sepp regte sich eine Erinnerung. »Warte einen Moment.« Er holte Luft, tauchte unter und schaute unter dem Rand der Wanne her. Der Mond überschüttete den Hafen von Smörebröd mit silbernem Licht, doch seine Helligkeit war es nicht, die plötzlich die Tiefe beleuchtete.
    Da das Hafenbecken nicht sehr tief war, sah Sepp unweit über sich den dunklen Rumpf der Karavelle. Er wirkte nun so fest und materiell wie jeder andere Rumpf und bewegte sich im Bogen auf ihn zu. Offenbar nahm das Schiff Fahrt auf! Sepps Herz tat einen Hüpfer: Gaben die Schatten ihre Jagd auf und verließen den Hafen?
    Das Licht, das er und Blondyne bemerkt hatten, kam aus dem Rumpf der Karavelle. Zuerst glaubte Sepp, es sei ein Bullauge, hinter dem eine Lampe brannte, doch nun sah er, dass im Kiel etwas glühte, das wie ein Felsbrocken aussah.
    Luuuuft! Sepp kehrte unter die Wanne zurück. Die Luft darunter war auch nicht mehr taufrisch. »Halt mal die Henkel fest«, wies er Blondyne an. »Da draußen ist etwas… Ich muss es mir genauer ansehen.«
    »Was?« Die kleine Frau machte große Augen.
    »Und stell keine Fragen. Bitte.«
    Blondyne
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