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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora
Autoren: Mia Zorn
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griff nach ihrer Hand. Erschöpft folgte sie ihm durch Unterholz und Dickicht. Sie war so müde, dass sie ihre Glieder kaum noch spürte. Doch als sie den Kamm der Uferböschung erreicht hatten, durchfuhren Schrecken und Grauen in heißen Wellen ihren Körper: Unten am Strand lag der Rochen. Aus einem Gestrüpp von Pilzflechten neben ihm ragte eine graue Gestalt und durchbohrte mit faserigen Fäden den Leib des Fisches. »Nein«, keuchte Barah. »Weg da!«, brüllte der Woormreiter. Gleichermaßen entsetzt darüber, dass die Pilzwesen tatsächlich wieder da waren und sich nun an ihrem Rochen vergingen, jagten die beiden Enkaaris die Böschung hinunter. Unten angekommen, blieben sie stehen. Während Spenza ihre Fackeln entzündete, betrachtete Barah voller Abscheu die hünenhafte graue Kreatur, die nur entfernt wie ein Mensch aussah. An ihren Beingliedern war sie verbunden mit dem Gestrüpp aus Pilzflechten, die in hellen, wabernden Adern über den Strand bis zum Fuße der Böschung wucherten. Das Wesen schien die Gefährten nicht zu bemerken. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die Pilzfäden gerichtet, deren Enden in der Haut des Rochens steckten.
    Die Jägerin konnte den Anblick kaum ertragen. Kamen sie zu spät? Hatte diese verfluchte Kreatur bereits das Leben aus dem Leib des Fisches gesogen? Zornig nahm sie von Spenza die Fackeln entgegen. Auch in seinen Augen glühte die Wut.
    In jeder Hand eine lodernde Flamme, stürzten sie sich mit Kampfgebrüll auf das graue Ungetüm. Im Laufen warfen sie die ersten Fackeln. Doch noch bevor deren Feuer das Wesen erreicht hatte, stob aus dem Sand vor ihm der Rochen empor.
    Barah und Spenza wichen erschrocken zurück. Einen Moment lang glaubten sie, das Tier würde in die Flammen geraten, die jetzt die Kreatur und das Pilzgestrüpp erfasst hatten. Doch der Rochen benutzte seine Flossen wie Flügel und schwang sich auf ihnen in die Luft. Höher und höher.
    Ungläubig starrte die Jägerin dem fliegenden Riesenfisch nach. Ich träume. Das alles kann nur ein Traum sein.
    ***
    Im Dorf am See
    Victorius tollte mit seinem Sohn durch den Garten hinter dem Ratshaus. Auf allen Vieren jagte er kläffend hinter dem vor Freude krähendem Pilatre her, der alle paar Meter stehen blieb und sich die kleinen Hände vor das Gesicht schlug. »Such mich Hund!«, rief er glucksend. Knurrend und japsend tat ihm der Prinz den Gefallen. Raschelte mal an diesem, mal an jenem Busch und tönte mit grollender Stimme: »Ja, wo ist er denn nur, der kleine Pilatre?«
    »Hier«, kreischte dann der Knirps und die Jagd ging wieder von vorne los. Irgendwann unterbrach das Kindermädchen Nelli ihr Spiel. »Entschuldigt, Majestät, ich muss den Kleinen jetzt baden.«
    »Schon gut, Nelli. Und du sollst mich nicht ›Majestät‹ nennen. Ich heiße Victorius.«
    Das Mädchen kicherte und schaute verlegen zu Boden. »Ja, also dann… entschuldigt, Victorius.« Sie schnappte sich den protestierenden Pilatre und trug ihn ins Haus.
    Victorius folgte ihr bis zur Tür. Weiter wagte er sich nicht. Dahinter war Salis Küche zu sehen: eine gemütliche Sitzecke, Regale mit Gewürzen und Geschirr und der Herd mit der großen Arbeitsfläche vor dem geöffneten Fenster. Seine einstige Geliebte kochte leidenschaftlich gerne. Sie war eine Ordnungsfanatikerin und keine Staubflocke im Haus und kein Unkraut im Garten überlebten lange. Diese Information hatte er von Nanda, der Haushälterin. Mit Salimata selbst war ein Gespräch bislang immer noch nicht möglich.
    Der Prinz ließ sich seufzend auf der Türschwelle nieder. Heute war er den dritten Tag in Spekgulf. Vermutlich wäre sein Aufenthalt deutlich kürzer ausgefallen und er würde sich auch nicht in Salis Garten wagen, wenn nicht die Sache mit Rosalie passiert wäre. Die dicke Wäscherin war am Abend seiner Ankunft spurlos verschwunden und die ganze Aufmerksamkeit der Bürgermeisterin galt der Suche nach ihr. Auch jetzt war sie wieder draußen am See. Nachdem man in der Uferregion keine Spuren von der vermissten Frau gefunden hatte, glaubten die Dorfbewohner, dass Rosalie ertrunken sei. Sie konnte nicht schwimmen. Ein Schock für das Dorf. Die Menschen trauerten und der alte Josh war untröstlich.
    Auch Salimata litt unter dem Verlust der Wäscherin. Sie hatte sie wohl sehr gemocht. In der vergangenen Nacht hatte Victorius sie weinen hören. Sein Lager auf dem Treppenabsatz vor der Ratshauspforte lag direkt unter ihrem Schlafzimmerfenster. Diese sture Frau, die immer so tat,
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