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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora
Autoren: Mia Zorn
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Sali den Kleinen wirklich mit zweitem Namen nach ihm benannt? Doch er kam nicht mehr dazu, noch einmal nachzufragen. In seinem Rücken ertönte die strenge Stimme der Bürgermeisterin. »Pilatre, verabschiede dich jetzt von dem Prinzen und komm rein!«
    Der Kleine stürmte augenblicklich zu seiner Mutter, die er den ganzen Tag nicht gesehen hatte. Er jauchzte, ließ sich herzen und drücken und plapperte von Kaiser und Prinzen. Schließlich kletterte er auf seinen Stuhl.
    »Iss schon mal«, forderte Sali ihn auf und kam dann zu Victorius. »Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt«, zischte sie ihn an. »Das hier sind mein Haus, mein Garten und meine Bank. Du hast hier nichts zu suchen, und wenn du noch einmal…«
    Victorius hörte ihr gar nicht zu. Er stand auf der untersten Stufe und blickte zu ihr hoch. Mit funkelnden Augen und wildem Krauskopf stand sie wie eine Rachegöttin da. Das rote Kleid, die wogenden Brüste, die runden Hüften, in die sie ihre Hände gestemmt hatte. Ihre gesenkte Stimme und die gekräuselten Lippen, während sie ihr Wortgewitter auf ihn niederprasseln ließ. All das war dem Prinzen so vertraut. Was wohl geschehen würde, wenn er jetzt hoch stieg und sie einfach küsste? Victorius wagte es nicht, das auszuprobieren. Stattdessen sagte er leise: »Ich habe dich nicht verdient, Sali.«
    »Was?« Die Bürgermeisterin blickte ihn irritiert an. »Was hast du gesagt?«
    »Ich habe dich nicht verdient, Sali. Ich konnte dir damals nicht geben, was du gebraucht hast. Inzwischen bin ich reifer geworden…«
    »Nicht gegeben, was ich gebraucht habe?« Salimata schnappte nach Luft. »Ich habe dich geliebt, du blöder Idiot. Doch für dich war ich nichts weiter als eine Schachfigur, mit der du deinen Vater matt setzen wolltest!«
    »Mon dieu, Sali, es tut mir so unendlich leid, was ich getan habe. Bitte gib mir die Chance, es wieder gut zu machen. Wenn nicht an dir, dann wenigstens an dem Jungen.«
    Einen Moment lang starrte sie ihn aus glänzenden Augen an. Dann kehrte sie ihm den Rücken. »Schlechter Zeitpunkt, de Rozier!« Sie stürmte ins Haus. Victorius sprang ihr hinterher. Doch bevor er ihr in die Küche folgen konnte, knallte sie ihm wieder einmal die Tür vor der Nase zu. Dahinter winkte ihm sein kleiner Sohn. Dann rauschten die Jalousien herab. Mit einem Satz war der Prinz vor dem offenen Fenster. »Auf ein Wort noch!«
    Salimata erschien auf der anderen Seite. Sie sah bleich aus und Tränen glänzten in ihren Augen. »Lass mir bitte Zeit, Victorius. Ich brauche Zeit«, flüsterte sie und schloss das Fenster.
    Während sich die Bürgermeisterin drinnen verstohlen die Tränen von den Wangen wischte und sich dann ihrem Sohn widmete, bemerkte sie nicht den faserigen Wurzelfaden, der beim Schließen des Fensters in den Zwiebeltopf beim Herd gefallen war.
    Auch Victorius blieb ahnungslos. Versonnen ging er um das Ratshaus herum zur Veranda auf der Vorderseite. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht. Das erste Mal seit drei Tagen hatte er das Gefühl, dass alles gut werden könnte. Unbemerkt von ihm glitten graue Pilztentakel die Hauswand hinunter und zogen sich zurück in den Garten…
    ***
    Östlich des Victoriasees
    Mit jedem Schwingenschlag stieg Thgáan höher. Kühle Windströme wehten über seinen flachen Schädel. Er reckte seine Tentakel, die oberhalb der Augen saßen, und ließ sie im Flugwind flattern. Auch wenn es seine Aerodynamik beeinflusste, so beruhigten ihn diese Bewegungen doch. Und so etwas wie Beruhigung hatte er dringend nötig.
    Waren es wirklich seine einstigen Herren, die da eben versucht hatten, Kontakt mit ihm aufzunehmen, oder war es ein Trick dieser Organismen aus den Erdspalten? In der vergangenen Nacht hatte er bei dem Erdbruch oben im Wald eines dieser faserigen Wesen wahrgenommen. Doch nur ganz kurz. Es hatte sich schnell zurückziehen müssen, weil die Primärrassenvertreter wieder mit ihrem Feuer aufgetaucht waren. Seine Aura aber hatte sich genauso angefühlt wie die, die ihn gerade eben berührt hatte.
    Thgáan breitete seine Flossenflügel aus und zog einige große Kreise über der Siedlung, die jetzt unter ihm auftauchte. Lange dachte er über die körperlose Stimme nach, die mit ihm gesprochen hatte. Obwohl sie durchaus eine daa’murische Präsenz besaß, hatte sie auf den Lesh’iye eigenartig fremd gewirkt. Doch sie wusste von dem Kristall in seiner Stirnwulst. Auch die Art zu befehlen war typisch für seine einstigen Herren. Es konnte sich nur um
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