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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora
Autoren: Mia Zorn
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Ungeheuer – ein gigantischer schwarzer Rochen! Auf Riesenschwingen näherte er sich der Roziere von schräg hinten. Victorius wurde schlecht vor Schrecken.
    »Salimata, wach auf! Kümmere dich um den Jungen!« Er setzte Pilatre auf die Matratze und sprang zum Steuer. »Festhalten!«, rief er und kurbelte solange, bis die Luke vor der Druckluft-Bordkanone in Position war.
    Hoffentlich nicht zu spät. Mon dieu, lass es nicht zu spät sein. Ruder feststellen, Lukenhebel nach unten, ein Blick nach draußen: Wo ist das verdammte Biest? Es schwebte ziemlich nahe vor ihnen durch die Luft.
    Der Schweiß rann dem schwarzen Prinzen über das Gesicht, als er zur Bordkanone hechtete. Seine Finger flatterten über dem Abzug. In seinem Rücken hörte er Salimata keuchen. Vor sich sah er den riesigen Rochen. Doch statt weiter auf sie zuzurauschen, flog er jetzt eine Kehre. Victorius reckte den Kopf. Wo war er?
    Der Prinz sprang auf, rannte von Fenster zu Fenster. »Wo bist du?« Als er ihn schließlich entdeckte, war es zu spät: Der Riesenrochen rauschte oberhalb der Gondel an ihnen vorbei. Und fegte mit einem einzigen Schlag seines gewaltigen Stachelschwanzes die Roziere vom Himmel…
    ***
    Wimereux-à-l’Hauteur
    Auf dem Weg zur Aufzugsstation sprachen Kaiser Pilatre de Rozier und Prinz Akfat kein Wort miteinander. Akfats Innenleben war in einem schrecklichen Zustand. Einerseits fühlte er sich schuldig, so nachsichtig mit den Sicherheitsvorkehrungen in der Kerkeranlage umgegangen zu sein. Andererseits war er tief verletzt von den Worten seines Vaters. Das war Unrecht! Unrecht! Unrecht! Doch die Wut verpuffte im Angesicht der Schuld. Blieb nur noch die schwache Hoffnung, dass die Pilzwucherungen nichts mit dem Pflanzenmagier zu tun hatten.
    Als sie den Platz vor der Station erreichten, kamen die angeforderten Männer der Leibgarde im Laufschritt heran. Pilatre de Rozier wartete nicht ab, bis sie zu ihnen aufgeschlossen hatten, sondern eilte weiter zum Portal des Aufzugsgebäudes aus Leichtholz. Bleich sah er aus. Bleich und angespannt. Der Prinz folgte ihm mit hängenden Schultern.
    Nach wenigen Schritten stolperte er über ein weiches Hindernis. Was war das? Als er genauer hinschaute, wurde ihm schlecht vor Entsetzen: Hauchdünne, fast unsichtbare Pilzfäden spannten sich über den Platz. Sie mussten über die Ankertaue zur Stadt herauf gewuchert sein! Mon dieu, der Feind ist bereits hier!, dachte er.
    Sein Vater erreichte das Tor der Liftstation. Bevor der Prinz eine Warnung rufen konnte, riss Pilatre es bereits mit Schwung auf. Akfats Ruf endete in einem Krächzen.
    Undurchdringliches Pilzgeflecht quoll ihnen entgegen. Der Kaiser schrie auf und wich zwei, drei Schritte zurück. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckte Akfat die Leichen der Aufzugswachen. Wie dürre Fliegen im Netz hingen sie in dem Gestrüpp. Was habe ich getan? Was habe ich nur getan?
    »Wir müssen die Leute warnen«, hörte er die heisere Stimme seines Vaters neben sich. »Die Alarmpfeife!« Er deutete in den vorderen Teil der Station. Dort hing das Zugseil, das zu einer Dampfpfeife unter einer Schallglocke auf dem Dach führte. Damit konnten die Wachen Alarm auslösen, wenn Eindringlinge die Stadt entern wollten. Doch der Weg dorthin war versperrt von dem sich windenden Geflecht.
    Nur so kann ich meinen Fehler wiedergutmachen. Bevor sein Vater ihn aufhalten konnte, sprang Akfat vor und hieb sich mit dem Degen einen Weg durch das Pilzgeflecht. Für Sekunden entstand eine Bresche, doch für jede abgeschnittene Flechte wucherten drei andere aus dem Pilzgestrüpp nach. Sie griffen und tasteten nach dem Prinzen, schlangen sich um seine Füße und Beine, um Arme und Hände. Akfat hieb wie ein Berserker nach ihnen, den Blick fest auf das Zugseil der Alarmpfeife gerichtet.
    Dann endlich bekam er das Seil zu fassen – diesen Strang, der ihn von Schuld befreien sollte, und hängte sich mit seinem ganzen Gewicht daran. Ein heller Dampfstrahl schoss unter der Schallglocke hervor und ein schriller Ton gellte in seinen Ohren.
    Er hatte es geschafft. Akfat lachte und weinte gleichzeitig, während das Pilzgeflecht an seinem Körper empor kroch. Halbtaub von dem gellenden Ton des Alarms und bis zur Brust überwuchert von den Pilzfäden verebbte sein Lachen und versiegten seine Tränen. »Ich habe es geschafft«, flüsterte er.
    ENDE
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