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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora
Autoren: Mia Zorn
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Gaitello seinem Zweiten Jäger Jerome zu, der dicht neben ihm am offenen Fenster stand.
    »Er wird wissen, wovon er redet«, knurrte Jerome. Der bullige Mann setzte das Fernglas ab und reichte es Gaitello. »Außerdem gibt uns das die Gelegenheit, endlich umzukehren, ohne das Gesicht vor den Jungs zu verlieren.« Er machte eine vage Kopfbewegung zu den vier Jagdgehilfen, die in ihrem Rücken schon seit Stunden darauf warteten, ihre Beute ins Visier nehmen zu können. »Wir könnten längst bei unseren Familien zu Hause sein. Bei einem Glas Marulawein oder einem feinen Braten«, fuhr er mit gesenkter Stimme fort. »Aber nein, du musstest ja unbedingt darauf bestehen, diesem… diesem… fliegenden Fisch da über die Grenze hinweg nach Kenyaa zu folgen.«
    »Prinz Akfats Befehl lautete, das Tier zu erlegen«, wandte Gaitello ein. Er setzte das Fernglas an seine Augen und beobachtete den riesigen fliegenden Rochen, der hundert Meter vor ihnen majestätisch über das Land glitt.
    »Ja, aber in Tansania und nicht in Kenyaa«, zischte Jerome.
    »Haben die Messieurs vor, noch einige Tage weiterzufliegen?«, unterbrach der Pilot das Gespräch der beiden Jäger. Seine Stimme troff vor Sarkasmus. »Denn falls ja, würde ich eben mal tiefer gehen, um den Wassertank unserer Roziere aufzufüllen.« Der rothaarige Rubin deutete auf den Fluss Athi, der das Hochland unter ihnen wie ein silbernes Band umschloss.
    Gaitello blieb ihm eine Antwort schuldig. Gebannt starrte er durch das Okular seines Fernglases und konnte kaum fassen, was sich vor ihm abspielte: Der Riesen-Rochen zog plötzlich steil nach oben. Der Erste Jäger schüttelte verwundert den Kopf. Wollte ihnen das seltsame Wesen auf diese Weise entkommen? Doch weit gefehlt! Es stieg zur selben Höhe auf, in der auch die Roziere flog, dann vollführte es einen Looping – und schnellte wie eine blau-schwarze Riesenhand auf sie zu!
    »Bei Ngaai, er greift an!«, rief Gaitello. Voller Entsetzen starrte er auf die gewaltigen Flossen der fliegenden Kreatur. Sie hatten eine Spannweite von annähernd zwanzig Metern. Sein höckerförmiger Kopf und die Kiemenspalten, die den Ersten Jäger wie schwarze Riesenaugen anglotzten, gaben der Kreatur ein dämonisches Aussehen. Der gewaltige dornenartige Tentakelschwanz peitschte durch die Luft.
    Dieses Tier war schnell, unglaublich schnell. Gaitello lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er wird uns vom Himmel fegen, dachte er und entsicherte seine Waffe. »An die Fenster, Männer!«, befahl er aufgeregt. »Lasst ihn nicht näher heran kommen. Schießt!«
    Noch während sich die erste Harpune aus seiner Waffe löste, drängten sich zwei der Jagdgehilfen zwischen ihn und Jerome. Gaitello hörte ihren keuchenden Atem, roch ihren Schweiß. Ein Stahlpfeil nach dem anderen surrte auf den blauschwarzen Riesenleib des fliegenden Dämonen zu. Der machte nicht die geringsten Anstalten, dem Hagel auszuweichen. Zielstrebig stob er auf ihr Luftgefährt zu. Manche der Harpunen prallten einfach von seinem Körper ab, als wäre dieser aus Stahl. Andere verfehlten ihr Ziel.
    Gaitello hörte das Rauschen der Schwingen, sah den grünen Glanz in der Stirnwölbung des Untieres, glaubte schon den Anprall zu spüren, als endlich einer der Eisenpfeile oberhalb der Kiemenöffnungen stecken blieb. Kurz darauf der nächste, und schließlich ragte eine dritte Harpune aus der dunklen Haut.
    Knapp vor dem Cockpitfenster der Roziere sackte der Rochen nach unten weg. Die Jäger reckten ihre Köpfe über die Brüstung. Atemlos schauten sie zu, wie das Tier in die Tiefe trudelte. Erst als es in den Fluten des Athis verschwand, brachen sie in Jubelgeschrei aus.
    ***
    Drei Wochen später, Wimereux-à-l’Hauteur, Anfang Juli 2525
    Rulfan betrat mit dem Kaiser und dessen Leibgarde die ebenerdige Kerkeranlage unterhalb der Wolkenstadt. Wie immer erfüllte ihn ein beengendes Gefühl, als der schwere Torflügel hinter ihnen ins Schloss fiel. Gefangen in einer Hülle aus Stahl und Beton. Der weißhaarige Barbar betrachtete argwöhnisch seine Umgebung: Gewaltige Mauern aus Stahlplatten umschlossen eine Fläche von zwanzig mal zwanzig Metern. In deren Inneren ragte ein kuppelförmiger Bau mit grauer Fassade auf, in die man auf Augenhöhe eine umlaufende Fensterzeile aus Panzerglas eingelassen hatte.
    Kein Sonnenstrahl verirrte sich am frühen Morgen an diesen keimfreien Ort, der nicht von dieser Welt schien. Kein Samenkorn, das der Wind über den Wall aus Stahl und Stein wehte,
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