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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Autoren: Ha-Joon Chang
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Kinderarbeit wurden, wie schon erwähnt, nur durchgesetzt, weil sich Sozialreformer dafür starkmachten. Das Verbot freier Märkte für Regierungsposten oder Wählerstimmen stieß auf erbitterten Widerstand vonseiten der politischen Parteien, die Wählerstimmen kauften und Regierungsposten an loyale Anhänger verteilten. Solchen Praktiken konnte nur durch ein Zusammenspiel aus politischem Aktivismus, Wahlrechtsreformen und einer Neuordnung der Vergabe von Regierungsposten ein Riegel vorgeschoben werden.
    Die Einsicht, dass die Grenzen des Marktes verschwommen sind und sich nicht objektiv bestimmen lassen, führt uns zu der Erkenntnis, dass Ökonomie keine exakte Wissenschaft ist wie Physik oder Chemie, sondern eine politische Aufgabe. Vertreter der freien Marktwirtschaft möchten uns glauben machen, dass sich die Grenzen des Marktes wissenschaftlich genau festlegen lassen, doch das stimmt nicht. Wenn sich die Grenzen dessen, was man wissenschaftlich untersucht, aber nicht exakt festlegen lassen, so handelt es sich eben nicht um eine exakte Wissenschaft.
    So betrachtet fordert jemand, der sich gegen eine neue Regulierung wendet, die Beibehaltung des Status quo, so ungerecht er aus Sicht mancher Leute auch sein mag. Wer sich dafür einsetzt, eine bestehende Regulierung abzuschaffen, fordert, dass der Zuständigkeitsbereich des Marktes ausgeweitet wird, sodass diejenigen, die Geld haben, auf diesem Gebiet mehr Macht erhalten, denn der Markt folgt dem Prinzip: »Ein Dollar, eine Stimme.«
    Wenn also Verfechter der freien Marktwirtschaft die Einführung einer bestimmten Regulierung ablehnen, weil sie die »Freiheit« eines Marktes beschränke, dann bringen sie damit lediglich ihre politische Meinung zum Ausdruck – dass sie nämlich die Rechte derer, die von dem eingebrachten Gesetz geschützt werden sollen, nicht anerkennen. Sie kleiden diese Zurückweisung in ein ideologisches Deckmäntelchen, indem sie vorgeben, dass es bei ihrer Politik gar nicht um Politik geht, sondern um eine objektive ökonomische Wahrheit, während anderer Leute Politik eben doch nur Politik ist. Dabei sind ihre Motive nicht weniger politisch als die ihrer Gegner.
    Wer sich von der Illusion der Marktobjektivität löst, hat den ersten Schritt getan, den Kapitalismus zu verstehen.

Zwei: Ein Unternehmen soll man nicht zum Wohle seiner Besitzer führen.

Was sie uns erzählen

    Unternehmen gehören Aktionären. Deshalb sollte ein Unternehmen zu deren Wohl geführt werden. Das ist nicht nur ein moralisches Argument. Die Aktionäre haben keine garantierten Einnahmen, anders als die Beschäftigten, die feste Löhne und Gehälter haben, die Lieferanten, mit denen bestimmte Preise vereinbart sind, die Kreditanstalten, die festgelegte Zinsen erhalten, oder andere Geschäftspartner mehr. Das Einkommen der Aktionäre steigt und fällt mit der Unternehmensleistung, sodass sie den größten Anreiz haben, dem Unternehmen zu einer guten Leistung zu verhelfen. Wenn die Firma bankrott geht, verlieren die Aktionäre alles, wohingegen andere »Interessengruppen« zumindest einen Teil dessen bekommen, was ihnen zusteht. Daher tragen die Aktionäre ein Risiko, das andere Beteiligte nicht haben, was sie wiederum dazu animiert, die Unternehmensleistung zu maximieren. Wird ein Unternehmen für die Aktionäre geführt, so wird der Gewinn, also das, was nach Begleichung aller festgelegten Ausgaben bleibt, maximiert und damit auch der soziale Beitrag des Unternehmens.

Was sie uns verschweigen

    Unternehmen gehören zwar Aktionären. Doch weil sie von allen Beteiligten am mobilsten sind, kümmern sich diese am wenigsten um die langfristige Zukunft des Unternehmens, es sei denn, sie halten so viele Anteile, dass sie mit dem Verkauf ihrer Aktien den Konzern ernsthaft gefährden würden. Deshalb bevorzugen Aktionäre – insbesondere, aber nicht nur die Kleinaktionäre – eine Unternehmensstrategie, die den kurzfristigen Gewinn maximiert (was meist auf Kosten langfristiger Investitionen geht) und die Dividenden aus diesem Gewinn optimiert, was die langfristigen Perspektiven des Unternehmens weiter schwächt, denn dadurch sinkt der Betrag, der wieder für Investitionen aufgewendet werden kann, weiter ab. Wenn man ein Unternehmen für die Aktionäre führt, so verkleinert man damit das langfristige Wachstumspotenzial.

Karl Marx als Verfechter des Kapitalismus

    Sie wissen vielleicht, dass viele Unternehmensnamen in der englischsprachigen Welt den Buchstaben L enthalten:
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