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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Autoren: Ha-Joon Chang
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oder ein Unternehmer umweltbelastende Produktionsmethoden profitabler findet, warum sollte sich der Staat in diese Entscheidung einmischen?, wollten die Gegner wissen. Heute akzeptieren die meisten Menschen diese Gesetze als selbstverständlich. Es herrscht Einigkeit darüber, dass alles, was anderen schadet (etwa die Umweltverschmutzung), beschränkt werden sollte. Außerdem erscheint es sinnvoll, sorgsamer mit unseren Energieressourcen umzugehen, die überwiegend nicht erneuerbar sind, und den negativen Einfluss der Menschen auf das Klima zu minimieren.Wenn die Freiheit ein und desselben Marktes von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen wird, dann gibt es in Wahrheit gar keine objektive Definition dafür, wie frei dieser Markt ist. Anders ausgedrückt: Der freie Markt ist eine Illusion. Wenn manche Märkte scheinbar frei sind, so deshalb, weil wir die bestehenden Beschränkungen so weit akzeptieren, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen.

Kung-Fu-Meister an Klaviersaiten

    Wie viele meiner Altersgenossen war ich als Kind fasziniert von den Kung-Fu-Meistern in den Spielfilmen aus Hongkong, die sich so hartnäckig der Schwerkraft zu widersetzen schienen. Und wie viele andere Kinder auch war ich bitter enttäuscht, als ich erfuhr, dass meine Helden in Wahrheit an Klaviersaiten in der Luft gehangen hatten.
    Mit dem freien Markt ist es nicht viel anders. Bestimmte Marktregulierungen empfinden wir als so legitim, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Wenn man genauer hinsieht, stützen sich die Märkte sogar auf Regeln – und zwar auf ziemlich viele.
    Zunächst einmal unterliegt es mannigfachen Beschränkungen, mit welchen Waren gehandelt werden darf. Verbote betreffen nicht nur »offensichtliche« Dinge wie Rauschmittel oder menschliche Organe. Auch Wählerstimmen, Regierungsposten und Gesetze sind in modernen Gesellschaften nicht käuflich – zumindest nicht offen -, obwohl es in den meisten Ländern früher anders war. Auch Studienplätze werden meist nicht verkauft, sind aber in einigen Ländern gegen Geld zu haben, sei es, indem man die entsprechenden Stellen (gesetzeswidrig) schmiert oder indem man der Universität (gesetzeskonform) eine Spende zukommen lässt. In vielen Ländern ist der Handel mit Waffen oder Alkohol verboten. Medikamente müssen meist staatlich zugelassen und auf ihre Sicherheit geprüft sein, ehe sie in den Handel gelangen. All diese Regelungen sind potenziell strittig, ebenso wie es der Verkauf von Menschen (Sklavenhandel) vor 150 Jahren war.
    Beschränkungen gibt es auch beim Zugang zu den Märkten. Für Berufe, die großen Einfluss auf das Leben anderer haben, sind Zulassungen erforderlich, etwa für Ärzte oder Rechtsanwälte; manchmal werden diese Zulassungen nicht vom Staat vergeben, sondern von Standesorganisationen. In vielen Ländern dürfen nur Unternehmen, die über ein bestimmtes Mindestkapital verfügen, eine Bank gründen. Nicht einmal auf dem Aktienmarkt, dessen Unterregulierung 2008 die globale Rezession auslöste, darf jeder einfach mitmachen. Man kann nicht mit einer Tasche voller Aktien in der New York Stock Exchange auftauchen und sie verkaufen. Unternehmen müssen für die Börsenzulassung bestimmte Kriterien erfüllen und mehrere Jahre lange strenge Betriebsprüfungen über sich ergehen lassen, ehe sie eigene Aktien ausgeben dürfen. Und der Aktienhandel wird nur von zugelassenen Börsenmaklern und Händlern betrieben.
    Auch die Handelsbedingungen sind reglementiert. Als ich Mitte der Achtzigerjahre nach Großbritannien zog, war ich überrascht, dass man für Artikel, die einem nicht gefielen, ein volles Rückgaberecht hatte, auch wenn sie völlig in Ordnung waren. Damals wurde dieser Ser vice in Korea nur von den teuersten Kaufhäusern angeboten. In Großbritannien dagegen galt das Recht der Kunden, es sich anders zu überlegen, mehr als das Recht des Verkäufers, Kosten, die mit der Rückgabe unerwünschter (aber intakter) Produkte an den Hersteller einhergingen, zu meiden. Rund um den Austausch von Waren gilt noch eine Reihe weiterer Regeln: zur Produkthaftung, zum Lieferverzug, zum Kreditausfall und so weiter. In vielen Ländern braucht man eine Genehmigung für die Verkaufsstelle; so unterliegt der Straßenverkauf Beschränkungen, oder Baugesetze untersagen Handelsaktivitäten in Wohngebieten.
    Dazu kommen Preisregulierungen. Damit meine ich nicht sichtbare Phänomene wie eine Mietpreisbegrenzung oder Mindestlöhne, die Marktliberale so empört
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